Tausende Bosch-Beschäftigte haben gegen Stellenabbau demonstriert. Die IG Metall wirft dem Konzern Gewinnmaximierung vor. Bosch will sozialverträgliche Lösungen suchen.

Wirtschaft: Imelda Flaig (imf)

Stuttgart/Bühl - Es rumort gewaltig bei Bosch. Deshalb sind an diesem Freitag auch weit mehr als 3000 Boschler an die drei Standorte im badischen Bühl, nach München und Arnstadt in Thüringen gekommen, um ihre Kollegen vor Ort beim Protest gegen den geplanten Jobabbau zu unterstützen.

 

Die Solidarität ist gewaltig – trotz Corona. Nicht nur Boschler aus anderen Werken- von Bamberg bis Reutlingen – sind an einen der drei Standorte gefahren, sondern auch Abordnungen von Unternehmen in der jeweiligen Region wie etwa Schaeffler in Bühl oder Opel Eisenach, die in Arnstadt dabei sind.

Lesen Sie aus unserem Plus-Angebot: Boschler gehen auf die Barrikaden

Die Bosch-Beschäftigen sind sauer. IG Metall und Betriebsrat werfen dem Konzern vor, die Transformation vom Verbrenner zum E-Auto als Vorwand zu nutzen, um Stellen abzubauen.

„Gewinnmaximierung auf dem Rücken der Beschäftigten“

„Verlagerungen in Billiglohnländer nehmen zu, nicht nur bei Bosch. Das hat nichts mit Transformation zu tun, sondern zielt einzig auf Gewinnmaximierung auf dem Rücken der Beschäftigten“, sagt der baden-württembergische IG-Metall-Chef Roman Zitzelsberger.

Wie berichtet, sollen in Bühl laut Arbeitnehmervertretern rund 1000 Arbeitsplätze wegfallen. Bosch spricht dagegen von 700 Stellen, davon soll etwa die Hälfte nach Osteuropa verlagert, der Rest bis 2025 sozialverträglich abgebaut werden.

Bühl mit 3800 Beschäftigen ist Hauptsitz des Geschäftsbereichs Electrical Drives und Hersteller elektrischer Antriebe für Fahrzeuge aller Antriebsarten. Damit sei der Standort mit seinen Produkten für die Zukunft gut aufgestellt, aufgrund von Management-Fehlentscheidungen aber in eine schwierige Situation gekommen. „Kostengetriebenen Verlagerungen mit alternativlosem Personalabbau erteilen wir eine Absage“, sagt der dortige Betriebsratsratsvorsitzende Klaus Lorenz.

Auch an anderen Standorten gehen die Redner hart mit Bosch ins Gericht. „Bosch spaltet die Belegschaft in Gewinner und Verlierer des Strukturwandels“, sagt Frank Sell, Gesamtbetriebsratschef der Bosch-Mobilitätssparte. Keiner bestreite, dass der Strukturwandel bei Bosch hohe Anstrengungen erfordere. „Aber wir können nicht akzeptieren, dass das auf Kosten der Mitarbeiter geht. Wir fordern eine faire Transformation – und zwar mit den Beschäftigen im Fokus.“

„Notfalls ketten wir uns an unsere Maschinen“

Er ist bei diesem Aktionstag in München dabei, wo Bosch mehr als 250 Mitarbeiter beschäftigt und die Produktion nach Nürnberg und Tschechien verlagern will. „Wir können nicht nur Kraftstoffpumpen herstellen, sondern auch Zukunftsprodukte oder innovative Serviceleistungen erbringen“, sagt der dortige Betriebsratschef Guiseppe Ciccone und setzt noch eins drauf: „Notfalls ketten wir uns an unsere Maschinen.“

Noch gebe es keinen Beschluss, dass die industrielle Fertigung am Münchner Standort verlagert werde, sagt der Münchener Werkleiter Jörg Luntz. „Die wirtschaftliche Situation ist jedoch sehr angespannt. Mit jeder Kraftstoffpumpe, die in München hergestellt wird, machen wir Verluste,“ sagt er.

Die Boschler sind entschlossen, ihre Arbeitsplätze oder gar Standorte nicht kampflos aufzugeben. „Wir wollen ein Zeichen setzen Richtung Schillerhöhe“, sagt eine Bosch-Beschäftigte.

IG Metaller Zitzelsberger wird noch deutlicher: Wer vor Personalabbau und Standortschließungen nicht zurückschrecke und soziale und tarifliche Standards in Frage stelle, „bekommt den massiven Widerstand der IG Metall zu spüren“.

Bosch liebäugelt zum Joberhalt mit Allianzen in der Region

Das zielt vor allem auf den thüringischen Standort Arnstadt ab, der trotz bestehender Standortsicherung bis Ende 2022 bereits Ende 2021 geschlossen werden soll, weil die Produktion von Generatorenreglern eingestellt wird. 100 Arbeitsplätze sind betroffen. Selbst Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow stellt sich in einer Videobotschaft hinter die Beschäftigten und „wundert sich, dass es der Weltkonzern Bosch nicht schafft, die zugesagten 100 Arbeitsplätze in Arnstadt zu halten“.

Bosch-Arbeitsdirektorin Filiz Albrecht sendet ein klares Signal: Bosch stehe natürlich zu getroffenen Vereinbarungen und sei sich seiner unternehmerischen Verantwortung sehr bewusst, sagt sie. „Ziel ist es, alle sozialverträglichen Lösungsmöglichkeiten einschließlich Angeboten zur Weiterbeschäftigung auszuloten. Dazu zählen auch Allianzen in der Region“, verspricht sie.

Es scheint, der heiße Herbst bei Bosch hat gerade erst begonnen.