Polens Präsident Duda legt sein Veto gegen die Reform des Justizapparates ein. Es ist die Chance für eine Wende.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Warschau - Ganz überraschend kommt das Veto des Präsidenten nicht. Andrzej Duda signalisiert schon seit Wochen, dass er mit der umstrittenen Justizreform in Polen nicht einverstanden ist. Erstaunlich ist allerdings, dass Duda sich so schnell entschieden hat, der Reform seine Unterschrift zu verweigern. Er ließ keine längere Schamfrist verstreichen, die sein Ringen um die richtige Entscheidung symbolisiert hätte. Das ist ein deutliches Zeichen an die national-konservative Regierungspartei PiS, dass Polen trotz einer großen Mehrheit im Parlament nicht die Beute einer einzelnen, machtbesessenen Gruppe sein kann.

 

Ein Signal an Kaczynski

Der Schritt ist auch ein Signal an Jaroslaw Kaczynski, den starken Mann in der polnischen Politik. Duda ist nicht gewillt, sich vollends zur Marionette des eigenwilligen PiS-Chefs machen zu lassen. Bei der Unterwerfung des Verfassungsgerichts hatte der Staatschef noch alles schweigend unterschieben, was ihm vom Parlament vorgelegt worden war. Doch Kaczynskis Agieren gleicht immer mehr einem Feldzug gegen alle Andersdenkenden. Das wollte Duda offensichtlich nicht mehr kommentarlos mittragen. Nun hat er – zumindest vorerst – die Bremse gezogen.

Eine sehr krude Erklärung

Interessant ist die krude Erklärung, mit der Duda sein Veto begründet. Zum einen macht der Präsident juristische Bedenken geltend, weil er die Gewaltenteilung gefährdet sieht. Zum anderen – und das ist der wesentlich interessantere Punkt – kritisiert der Staatschef, dass angesichts der rücksichtslos durchgepeitschten Reformen in Polen die Spaltung der Gesellschaft drohe. Der Präsident zeigt bei seiner Entscheidung das politische Gespür, das Jaroslaw Kaczynski längst abhanden gekommen ist. Gegen das Vorhaben gehen seit Wochen Zehntausende Menschen auf die Straßen. Der PiS-Chef reagierte angesichts der aufgeheizten Stimmung allerdings nicht mäßigend. Im Gegenteil: Immer wieder beschimpfte er die Demonstranten als Kommunisten und Menschen, die Pädophile verteidigen würden.

Jubel bei der Opposition

Bei der von Kaczynski verachteten Opposition ist der Jubel nach dem Veto des Präsidenten natürlich groß. Es ist ihre – vielleicht letzte – Chance für eine Wende. Allerdings müssen sich seine politischen Gegner nun daranmachen, eine schlagkräftige Alternative mit einer glaubwürdigen Führungsfigur aufzubauen. Das ist ihnen über Monate nicht gelungen, und immer wieder befeuern Skandale und Skandälchen selbstzerstörerischen Streit. Umfragen zeigen, dass unter der großen, noch immer schweigenden Mehrheit der Polen viele Anhänger der europäischen Idee sind. Dieses Potenzial gilt es zu mobilisieren, um die gefährdete Demokratie vor der vollständigen Demontage zu bewahren. Dieser Prozess kann zwar durch die vorsichtige und wohldosierte Unterstützung aus Brüssel flankiert werden, doch zusammenraufen müssen sich die vielen, in ihrer Strategie bisweilen uneinigen Teile der Protestbewegung selbst. Aber es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte des Landes, dass die Polen über sich hinauswachsen und zum Vorbild für Europa werden.