Der „Kompromiss“-Vorschlag des Grünen-Politikers Hermann zu Putins Krieg ist auch Thema unter 300 Protestierenden am Samstag in Stuttgart.

Sie machen einfach weiter: Auch am 164. Tag des russischen Überfalls auf ihre Heimat hat die ukrainische Community wieder für das Überleben ihrer Nation demonstriert. Die Parolen aber haben neue Schwerpunkte. Nicht mehr „Gas-Embargo jetzt“ wird beim Marsch der gut 300 Demonstrierenden durch die City skandiert. „Russland ist ein Terrorist“, „Stoppt den Krieg“ und „Save Ukraini“ sind jetzt die zentralen Parolen – mit einer Mischung aus Verzweiflung und Durchhaltewillen.

 

Schwer mit ihren Emotionen zu kämpfen hat etwa Ilona Gerlach, als sie bei der Schlusskundgebung auf dem Marktplatz an den Angriff auf das Lager mit ukrainischen Kriegsgefangenen in Oleniwka mit Dutzenden Toten erinnert. Auf dem Wilhelmsplatz verweist sie darauf, dass in der Ukraine selbst Kinder mit Aktionen für die Armee sammelten, und preist die „vorbehaltlose Hilfsbereitschaft und den Willen zu leben“. Das Land brauche weiterhin mehr schwere Waffen, die machten einen Unterschied.

Hier Sonne, dort Luftalarm

Die fast zweistündige Demo ist das eine, die Schicksale der Menschen, die auf die Straße gehen, ein weiteres. Unbedingt bedanken will sich Juliia Ivanova dafür, „dass die Zeitung wieder da ist“. Die 46-Jährige aus Dnipro, der Millionenstadt im Donbas, ist per Handy verknüpft mit ihrer Familie in der Heimat. Genau jetzt, um 17 Uhr, sei Luftalarm: „Alle müssen in den Keller, und hier können die Leute den Sommer genießen.“ Eine Mutter versucht ihre schluchzende Tochter zu trösten, die den kleinen Sohn auf dem Arm hält. Dymytriy, 53, seit 21 Jahren bei einem „großen Maschinenbauer“ in Stuttgart beschäftigt, betont: „Wenn wir nicht helfen, Putin zu stoppen, ist auch Deutschland nicht mehr sicher.“

Neue Hilfe für eine Schule in der Ukraine

Auf dem Marktplatz geht der Stuttgarter Ukraine-Helfer Konrad Walter hart ins Gericht mit dem grünen baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann, der Waffenlieferungen ablehne und „einen Kompromiss“ fordere. Walter war erst kürzlich wieder in der Ukraine: „Wer die tödlichen Geräusche der Raketen, die Bombenkrater, die zerstörten Häuser und Fabriken gesehen, wer mit Soldaten dort gesprochen hat, für den sind diese intellektuellen Debatten ziemlich komisch“. Walter will diese Woche erneut in die Ukraine fahren, wo man mit Hilfe von 30 000 Euro an Spenden eine Schule wieder provisorisch herrichten werde für den Schulstart in drei Wochen.