Die Unruhen in der Ukraine sind ein neuer Stresstest für das ohnehin gespannte Verhältnis zwischen Russland und dem Westen. Deutschland steht dabei in der Kritik.

Moskau - Moskau habe der ukrainischen Führung keine Ratschläge zum Krisenmanagement gegeben und plane dies auch nicht. Es sei das „ausschließliche Vorrecht der legitimen ukrainischen Behörden, die Methoden zur Lösung der in der Republik entstandenen Probleme festzulegen“. Mit diesen Worten parierte der Pressesprecher von Wladimir Putin Fragen nach Details eines Telefonats zwischen dem Kremlchef und dem ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch in der Nacht zum Mittwoch, als Ordnungskräfte, darunter schwer bewaffnete Sondereinheiten, das Dauermeeting pro-europäischer Protestler im Zentrum von Kiew mit Waffengewalt auflösten. Das Ergebnis: mehr als zwei Dutzend Tote und mehr als 1000 Verletzte.

 

Die Unruhen in der Ukraine – der Auslöser war die Entscheidung des ukrainischen Kabinetts vom 21. November, den Assoziierungsprozess mit der Europäischen Union auszusetzen und stattdessen die Kooperation mit Russland auszubauen – sind ein neuer Stresstest für das ohnehin gespannte Verhältnis zwischen Russland und dem Westen. Europa und die USA hätten mit Duldung aggressiver Handlungen der radikalen Kräfte in der Ukraine dazu beigetragen, dass der Konflikt zwischen Macht und Opposition nach kurzer Pause erneut eskalierte, heißt es in einem Kommentar auf der Website des russischen Außenamtes. Wladimir Oleinik, der für die Partei der Regionen – die Hausmacht von Janukowitsch – im ukrainischen Parlament sitzt, unterstellte Deutschland in einem Interview für den russischen Radiosender Echo Moskwy sogar, führenden Oppositionellen bei ihrem Berlin-Besuch am Montag genaue Instruktionen für das weitere Vorgehen erteilt zu   haben.  

Moskau lobt die Zurückhaltung Berlins

Moskau selbst sieht das anders und lobt die bisherige Zurückhaltung Berlins. Den USA dagegen warf Außenamtssprecher Alexander Lukaschewitsch „unverfrorene Einmischung in die Angelegenheiten der Ukraine“ vor. Washington versuche, Kiew den westlichen Entwicklungsweg als einzig richtigen aufzuzwingen und den Behörden eines souveränen Staates vorzuschreiben, was sie zu tun hätten. Wozu das führe, sei aus „jüngsten historischen Beispielen“ bekannt. Moskau befürchtet, die Ukraine könnte ihre Neutralität aufgeben, eine prowestliche Regierung sich erneut um die Nato-Mitgliedschaft bewerben. Russlands Umzingelung im Südwesten wäre dann perfekt. Vor allem aber hätte ein Beitritt der Ukraine – nach Russland die bevölkerungsreichste Ex-Sowjetrepublik mit der stärksten Volkswirtschaft – zu Strukturen wie Zoll- und Eurasischer Union, mit denen Moskau die UdSSR-Spaltprodukte reintegrieren möchte, Sogwirkung für Unentschlossene.

Um Kiew die Wahl zu erleichtern, will Russlands Finanzminister Siluanow noch diese Woche weitere   ukrainische Staatsanleihen in Höhe von zwei Milliarden US-Dollar kaufen. Insgesamt hatte Moskau dem klammen ostslawischen Bruder Ende 2013 den Kauf von Eurobonds im Wert von fünfzehn Milliarden US-Dollar zugesichert. Der Kauf der hochriskanten Papiere läuft de facto auf einen Kredit hinaus und ist bei Zahlungsunfähigkeit mit Filetstücken der ukrainischen Wirtschaft besichert. Die EU wolle mit Assoziierung der Ukraine zeigen, dass sie ihre Krise überwunden hat und erneut fähig ist, „ihre Integrationszone zu erweitern“. Das sei verständlich sagte der Chef des Auswärtigen Ausschusses der Duma, Alexei Puschkow. Unverständlich sei, warum Moskau imperiale Ambitionen unterstellt werden, wenn Russland seine Interessen in der Ukraine wahrt.

Unabhängigen russischen Experten macht vor allem die Pattsituation in der Ukraine Angst. Macht und Opposition hätten derzeit weder eine Strategie noch die Mittel zu ihrer Durchsetzung, warnte Fjodor Lukjanow, Chefredakteur der einflussreichen außenpolitischen Zeitschrift „Russland in der globalen Politik“. Die Opposition sei fragmentiert, Dutzende würden die Führung beanspruchen und auf den Lagerfeuern des Maidan ihr eigenes Süppchen kochen.   Allein schon deshalb werde Janukowitsch sich nicht auf vorgezogene Neuwahlen einlassen.