Wie weit die Sichtweisen im Iran auseinandergehen, zeigen die Reaktionen auf die regimekritischen Proteste. Präsident Ruhani und die Reformer äußern Verständnis, die Hardliner in der Justiz wollen dagegen die Todesstrafe für die Anführer.

Teheran - Der iranische Präsident Hassan Ruhani hat Verständnis für die regimekritischen Proteste der vergangenen Tage. „Wir müssen ganz einfach die Tatsache akzeptieren, dass das Volk das letzte Wort hat“, sagte er am Montag. Es gebe unter Politikern „keine Heiligen“ und daher sei kein Politiker vor Kritik geschützt. Konstruktive Kritik sei auch nützlich für die politische Führung. „Die Menschen haben ein legitimes Recht, von uns zu fordern, dass wir sie sehen und hören und ihren Forderungen nachgehen.“

 

In dem islamischen Staat ist nach der Verfassung der oberste religiöse Führer nicht nur Oberbefehlshaber der Streitkräfte, sondern hat auch das letzte Sagen in allen politischen Belangen - sowohl in der Regierung als auch im Parlament oder in der Justiz.

Anders als Ruhani forderte der Vizechef der Justiz die Höchststrafe für Anführer der Proteste. „Sicherlich erwartet diejenigen, die die Unruhen gegen das Establishment organisiert und geführt haben, die Höchststrafe“, sagte Hamid Schahriari nach Angaben der Nachrichtenagentur Isna am Montag. Im Iran gilt das Todesurteil als Höchststrafe.

18 Demonstranten getötet

Schahriari machte keine Angaben zur Anzahl der Festgenommenen, aber die Rede ist von 1000 bis 1800. Bei den Unruhen wurden 18 Demonstranten getötet, zwei kamen während der Proteste bei einem Unfall ums Leben.

Staatsmedien berichteten, die Anführer der Proteste seien entweder Mitglieder der Oppositionsgruppe Volksmudschaheddin oder Monarchisten gewesen. Einige Sicherheitskreise sprechen auch von einer Beteiligung amerikanischer Geheimdienste. CIA-Direktor Mike Pompeo wies jedoch jede Verwicklung zurück.

An den Protesten waren nach Ruhanis Einschätzung hauptsächlich Jugendliche beteiligt. „Wir können der neuen Generation nicht einen bestimmten Lebensstil aufdrängen“, sagte er mit Bezug auf die strengen islamischen Vorschriften im Land.

Auch könne man technologische Mittel wie das Internet nicht einfach für die neue Generation blockieren, nur weil sie auch irgendwo schädlich sein können. „Genauso wie man ein Buch nicht verbieten kann, nur weil man den kritischen Inhalt nicht mag“, sagte der Präsident.

Internet verlangsamt und soziale Medien gesperrt

Die iranische Führung hatte das Internet stark verlangsamt und einige soziale Medien zeitweise blockiert, weil die Demonstranten das Internet als Kommunikationsmittel genutzt hatten. Die Hardliner im Land wollen ein nationales Internet, das sie jederzeit kontrollieren können.

Nach Isna-Informationen hat einer der inhaftierten Demonstranten im berüchtigten Ewin-Gefängnis in Nordteheran Selbstmord begangen. Die Gefängnisleitung bestätigte, dass ein 22-Jähriger, der bei den Protesten verhaftet worden war, sich am Samstag in der Toilette erhängt habe. Die Gründe für den Suizid seien bis jetzt unklar.

Am Dienstag wurden laut Isna 159 gefangene Demonstranten in Bandar Abbas in Südiran freigelassen. Die örtliche Staatsanwaltschaft behauptete, dass die Freigelassenen ihren Protest bereut hätten. Weiterhin in Haft in Bandar Abbas sind jedoch 18 mutmaßliche Demonstrationsführer.