Zuerst ging es gegen Inflation und die Wirtschaftspolitik. Doch zunehmend richten sich die Proteste in iranischen Städten gegen die gesamte Regierung. Washington findet das gut, Teheran sendet Drohungen.

Teheran/Washington - Angesichts heftiger regierungskritischer Proteste in Teheran und anderen iranischen Städten hat US-Präsident Donald Trump die iranische Führung aufgefordert, die Rechte des Volkes zu achten. „Unterdrückerische Regime können nicht ewig bestehen und der Tag wird kommen, an dem das iranische Volk vor eine Wahl gestellt wird“, twitterte Trump am Samstag. „Die Welt schaut hin!“

 

Das Teheraner Innenministerium ermahnte die Iraner, nicht an solchen Protesten teilzunehmen. „Diese Versammlungen sind illegal“, sagte Innenminister Abdulrahman Rahmani Fasli laut der Nachrichtenagentur Isna. Sie könnten „problematische Konsequenzen“ haben.

Das US-Außenministerium versuchte, andere Staaten auf die Seite der Demonstranten zu bringen. „Wir rufen alle Nationen dazu auf, das iranische Volk und seine Forderungen nach Grundrechten und einem Ende der Korruption öffentlich zu unterstützen“, erklärte das Ministerium in Washington. Trump twitterte, neben dem US-Militär fürchte die iranische Führung am meisten das iranische Volk.

Am Samstag griffen die Proteste, die zuvor bereits in mindestens neun iranischen Städten stattgefunden hatten, auf die Hauptstadt Teheran über. Die Kundgebungen richteten sich zunächst gegen die Wirtschafts- und Außenpolitik der Regierung von Präsident Hassan Ruhani, wurden aber zunehmend systemkritisch.

Videos in sozialen Netzwerken zeigten Demonstranten, die gegen den regierenden Klerus Parolen skandierten wie: „Mullahs schämt Euch, lasst unser Land in Ruhe“. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Fars riefen Dutzende Demonstranten vor der Teheraner Universität „Tod den Taliban“ und verglichen damit das iranische Establishment mit den radikalen Islamisten in Afghanistan.

Mülleimer angezündet, Zäune herausgerissen

Angesichts von Ausschreitungen sprach Fars am Samstag vom „Beginn der Aufstandsphase“. Der Agentur zufolge wurden am Ferdosi Platz in der Innenstadt Teherans Mülleimer in Brand gesteckt und Zäune an Bushaltestellen herausgerissen. Videos in sozialen Netzwerken zeigen ähnliche Zwischenfälle in anderen Städten. Es gibt auch Videos, in denen die Flagge der Islamischen Republik sowie Bilder des iranischen Führers verbrannt werden.

Wegen einer begrenzten Berichterstattung iranischer Medien über die Proteste lassen sich die Berichte und Videos in sozialen Netzwerken nicht unabhängig verifizieren. Die meisten Videos kommen über das Nachrichtenportal Amad-News und werden auf dem Messaging-App Telegram gepostet. Irans Telekommunikationsministerium hat Telegram daher aufgefordert, das Konto des Portals zu blockieren.

Am Samstag gab es in Teheran und anderen Städten staatlich organisierte Demonstrationen gegen die regimekritischen Versammlungen, an denen Medienangaben zufolge landesweit Tausende teilnahmen. Laut Augenzeugen wurden in Teheran Sondereinheiten der Polizei stationiert. Präsident Hassan Ruhani, der sich allgemein offen zu Kritik zeigt, äußerte sich zunächst nicht.

In Maschhad, der zweitgrößten Stadt des Landes, kam es am Freitag zu Zusammenstößen mit Sicherheitskräften. Rund 50 Demonstranten wurden festgenommen. „Die USA verurteilen entschieden die Festnahme von friedlichen Demonstranten“, erklärte dazu das US-Außenministerium.

Die Regierung in Teheran verurteilte die US-Unterstützung für die Proteste scharf. „Das iranische Volk wird diese wertlosen und opportunistischen Bemerkungen der Amerikaner nicht beachten“, sagte Außenamtssprecher Bahram Ghassemi. Im Iran gebe es demokratische Kanäle, über die das Volk legitime Forderungen erheben könne. Das Innenministerium sei bereit, Anträge zu friedlichen Demonstrationen zu prüfen, sagte Minister Fasli.

Vor der iranischen Botschaft in Berlin demonstrierten am Samstag nach Polizeiangaben gut hundert Regimekritiker gegen die Führung in Teheran. Bereits am Freitag hatten rund 50 Menschen vor der Botschaft demonstriert, wie die Polizei weiter mitteilte.