Darf ein Endlager gebaut werden, wenn der Standort nach einem vermeintlich guten Verfahren ausgewählt wurde, die Bürger vor Ort es aber ablehnen? Bei solchen Fragen stößt die repräsentative Demokratie an ihre Grenzen. Die Frage, ob parlamentarische Mehrheiten dazu „ermächtigt“ sind, über riskante Großprojekte und Technologien zu entscheiden, bleibt leidenschaftlich umstritten. Demokratie heißt Bereitschaft zu Konsens und Kompromiss. Transparenz und Verfahrenssicherheit kommen als zentrale Voraussetzungen für die Legitimität demokratischer Entscheidungen hinzu. Vor dem Hintergrund der Protestgeschichte der siebziger und achtziger Jahre hat sich eine neue Legitimitätsdebatte über Regieren und Demokratie entwickelt. Das bekommt heute auch die in die Jahre und an die Macht gekommene Generation der „Urgesteine“ dieser Protestkultur zu spüren.

 

Stuttgart 21 und Nationalpark als Entwicklungsschritte

Wir haben uns angewöhnt, mit politischen Legitimitätsfragen weitaus sensibler umzugehen als noch vor wenigen Jahren. Stuttgart 21 war dabei ein wichtiger Entwicklungsschritt, die Debatte über den Nationalpark im Nordschwarzwald ebenfalls, wenn auch auf anderem Erregungsniveau. Beide Beispiele zeigen, dass es für die Frage, wie die Bürger jenseits der klassischen Parlamentarismuskonzepte an Entscheidungen zu beteiligen sind, keine Patentlösungen gibt. Wohl aber gibt es einen gestärkten Bürgersinn, der Respekt verdient.

Demokratie ist ein schwieriges Geschäft. Lange schon haben sich die Deutschen aus ihrer obrigkeitsstaatlichen Tradition gelöst und gelernt, ihre Meinung auf vielfältige Art und Weise zu äußern. Die Protestformen, die heute praktiziert werden – Demos, Camps, symbolische Besetzungen oder Blockaden –, sind diejenigen, die damals etabliert wurden. Meilensteine auf diesem Weg zu einer neuen Partizipations- und Protestkultur wurden in Baden-Württemberg gelegt.