Im EnBW-Untersuchungsausschuss sollten Protokolle aus Paris verlesen werden. Nun aber warnt ein Jura-Professor, dies könne einen Gesetzesverstoß darstellen – und weist einen Ausweg.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Dem Untersuchungsausschuss zum EnBW-Deal von Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) droht ein juristischer Eiertanz. Mit der geplanten Verlesung von Vernehmungsprotokollen französischer Manager würde sich das Gremium womöglich strafbar machen. Davor warnt ein Tübinger Rechtswissenschaftler in einer Expertise für den Landtag. Über Inhalte und Konsequenzen der Stellungnahme will der Ausschuss nach Auskunft eines Sprechers erst am Freitag beraten. Es wird aber erwartet, dass er wegen des strafrechtlichen Risikos auf die Verlesung verzichten dürfte. Allerdings sieht der Experte andere Möglichkeiten, um die Inhalte der Protokolle öffentlich zu verwenden.

 

Auf den möglichen Gesetzesverstoß hatte der neue Anwalt von Mappus, Professor Bernd Schünemann, hingewiesen. Er bezieht sich auf einen Paragrafen im Strafgesetzbuch, nach dem aus den Dokumenten eines Strafverfahrens nicht vorab zitiert werden darf. Die Landtagsverwaltung hatte die geplante Verlesung der Protokolle zwar unter anderen Aspekten geprüft, dieses Risiko aber nicht gesehen. Ein Vorwurf sei ihr deshalb nicht zu machen, hatten Sprecher mehrerer Fraktionen betont. Im Wege der Rechtshilfe waren drei Manager der Electricité de France (EdF), vorneweg der Konzernchef Henri Proglio, sowie der Investmentbanker René Proglio in Frankreich vernommen worden. Ihre teils vorab bekannt gewordenen Aussagen geben wichtige Hinweise unter anderem zu der Frage, von dem die Initiative zum EnBW-Deal ausging.

Auf rechtlich ungeklärtem Terrain

Aufgrund von Schünemanns Warnung bestellte der Landtag ein Gutachten bei Professor Jörg Eisele von der Juristischen Fakultät der Universität Tübingen. Laut Eisele gibt es zur Frage der Verlesung solcher Protokolle in einem Untersuchungsausschuss „bislang keine Rechtsprechung“. Es bestehe aber das Risiko, dass diese zumindest bei einer öffentlichen Sitzung strafrechtliche Relevanz erhalte. „Es ist daher vor einer wörtlichen Verlesung bzw. fast wortgenauen Verlesung zu warnen“, schreibt der Experte.

Für zulässig hält er es hingegen, dem als „Betroffenen“ teilnehmenden Mappus einzelne Teile der Protokolle vorzuhalten und ihm damit Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Dies sei auch dann möglich, wenn er von seinem Schweigerecht Gebrauch mache. Wegen des strafrechtlichen Risikos seien allerdings „eindeutig vom Wortlaut abweichende Formulierungen zu verwenden“. Zugleich empfiehlt Eisele, einen Bericht über die Vernehmungen von Proglio & Co. durch die französische Justiz zuzulassen. So könne dem Grundsatz der Öffentlichkeit Rechnung getragen und Mappus zugleich rechtliches Gehör gegeben werden.

Auch Ausschuss zum Polizeieinsatz betroffen

Die von Schünemann gerügten Fehler bei der Vernehmung in Frankreich bestätigt der Professor zwar. Bei der Befragung Henri Proglios durch einen Richter hätte danach die Verteidigung beteiligt werden müssen. Dies könne jedoch gegebenenfalls in der Hauptverhandlung vor Gericht nachgeholt werden, so Eisele. Die Protokolle könnten trotzdem als Beweis verwertbar sein.

Seine Expertise bezieht sich zwar auf den EnBW-Ausschuss, dürfte aber auch für den neuen Ausschuss zum Polizeieinsatz im Schlossgarten relevant sein. Das zweite Gremium zum „schwarzen Donnerstag“ stützt sich zu einem erheblichen Teil auf Unterlagen, die Bestandteil von Ermittlungsakten sind; so hat es von der Staatsanwaltschaft unter anderem die vermeintlich gelöschten Mails von Mappus und mehreren Mitarbeitern angefordert. Auch deren Verwertung im Ausschuss dürfte eine rechtliche Gratwanderung werden.

Zudem stellt sich die Frage, ob Mappus auch in diesem Ausschuss den Status eines Betroffenen beantragen wird. Da es um eine mögliche politische Einflussnahme auf den Polizeieinsatz gehen soll, dürften die Voraussetzungen dafür erfüllt sein. Die Anwälte des Ex-Regierungschefs reagierten am Mittwoch nicht auf eine entsprechende Anfrage der StZ.