Am Freitag stimmt das Europaparlament über ein Provisionsverbot für Bankberater ab. Der Streit über die künftige Finanzberatung geht tief.

Stuttgart - Es geht um die Frage, was zwischen 18. und 26. September passiert ist. Gab es einen groß angelegten Lobbyistenangriff? Oder hat sich der Gesetzestext schlicht den parlamentarischen Mehrheiten angepasst – wie es sein soll?

 

Am Abend des 18. September kommen in Brüssel die Europaabgeordneten zusammen, die für ihre Fraktionen die sogenannte Mifid-Richtlinie verhandeln – ein Herzstück der Finanzmarktregulierung. Es geht darum, die Rohstoffspekulation einzudämmen und den Hochfrequenzhandel auszubremsen. Und die Teilnehmer suchen – gut eine Woche vor der Abstimmung im Wirtschaftsausschuss – nach einer Position dazu, wie Finanzberatung künftig aussehen soll. Hat doch die Krise gelehrt, dass Provisionen Berater verleiten, Kunden Papiere aufzuschwatzen, die zu komplex und riskant sind.

Einem Verbot steht der CSU-Abgeordnete Markus Ferber als Berichterstatter nach eigenen Angaben schon vor dem Treffen wohlwollend gegenüber. „Ferber hat einen europaweiten Bann von Anfang an abgelehnt“, sagt dagegen Udo Bullmann, der für die SPD im Ausschuss sitzt. Sein Parteifreund Robert Goebbels, einst Wirtschaftsminister, der für die zweitgrößte Fraktion verhandelt, habe früh darauf verwiesen, dass „eine Güterabwägung“ nötig sei: Soll es ein Verbot geben? Oder führt das dazu, dass Banken nur die beraten, die viel Geld anlegen?

Am 18. September scheint alles klar zu sein

Das Meinungsbild klärt sich beim Treffen am 18. September. Die Parteienvertreter verständigen sich auf ein weitgehendes Provisionsverbot – einzige Ausnahme soll sein, dass der Kunde selbst in den Genuss der Vermittlungsgebühr kommt. Als Grund nennt Sven Giegold, der für die Grünen an dem Treffen teilnahm, das Fehlen des Sozialdemokraten Goebbels, der auf Asienreise war. Der Genosse ließ sich durch Arlene McCarthy vertreten, die aus Großbritannien stammt – neben den Niederlanden dem zweiten EU-Staat, wo von 2013 an Provisionen verboten sind. „Unsere britische Parteifreundin“, bestätigt Bullmann, „hatte ein hohes Interesse, das britische Modell abzusichern.“

Es ist nicht der letzte Schritt – doch verkauft Ferber die Einigung schon zwei Tage vor der Abstimmung offensiv in einer Pressemitteilung. Provisionen seien künftig nur noch „erlaubt, solange die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Gebühren an den Kunden weitergegeben werden“. Giegold dagegen hatte noch am Freitag zuvor gegenüber dieser Zeitung nicht über den entsprechenden Teil des Gesetzespakets sprechen wollen – unter Hinweis darauf, er wolle bei der Finanzlobby keine schlafenden Hunde wecken.

Weiterer Schwenk deutet sich an

Am Tag der Ausschussabstimmung deutet sich morgens bereits ein weiterer Schwenk an. Ferber hat Journalisten zum Frühstück eingeladen und berichtet, er rechne mit einem Änderungsantrag des Sozialdemokraten Goebbels. Der stellt ihn dann auch – mündlich, was zumindest nicht der parlamentarische Normalfall ist, „da sie den reibungslosen Ablauf und die Klarheit der Abstimmung beeinträchtigen.“

Der Antrag geht durch. Ausschussposition ist nun, dass es den Staaten überlassen bleiben soll, ob sie ein Provisionsverbot erlassen oder alternativ Transparenz herstellen – der Kunde soll wissen, wer was kassiert, wenn er einen Vertrag abschließt. Artikel 24 schreibt vor, dass die „Höhe“ oder – wenn dies nicht möglich ist – die „Methode zur Berechnung . . . vor der Erbringung der entsprechenden Dienstleistung . . . offengelegt“ werden.

Giegold spricht von einer „Katastrophe“ für den Verbraucherschutz. Die ursprüngliche Verhandlungsposition sei „in wenigen Tage durch eine konzertierte Lobbyaktion zu Fall gebracht worden“. Schließlich wollten „die Bankenverbände die provisionsgetriebene Beratung erhalten“. So geht es aus einem Brief hervor.

SPD will keine „Elitenberatung“

Sozial- und Christdemokraten schäumen – auch weil die Verbraucherverbände Giegolds Argumentation aufgegriffen haben. „Die Legende zu verbreiten, dass die gesamte sozialdemokratische Fraktion wegen einiger Briefe aus der Bankenbranche umkippt“, ärgert sich der SPD-Abgeordnete Bullmann, „ist einfach naiv.“ Es sei vielmehr „normal, dass es zu ganz heißen Themen bis zur letzten Minute Verhandlungen gibt“. Die Britin McCarthy habe, so Bullmann weiter, schlicht eine Minderheitenposition in der Fraktion vertreten. Eine „ursprüngliche“ Position, die aufgegeben wurde, habe es daher nie gegeben. Man wolle einfach keine „Elitenberatung, die Kleinanlegern professionellen Rat verwehrt“. In Großbritannien zeichne sich bereits ab, dass Banken nur noch Kunden beraten wollen, die 100 000 Pfund oder mehr anlegen wollten.

Dorothea Mohn vom Bundesverband der Verbraucherzentralen, lässt das Argument nicht gelten, da Banken in der Summe auch von Kleinanlegern lebten: „Es würden sich Angebote herauskristallisieren für Wohlhabende und für Verbraucher, die eher eine Basisberatung benötigen.“ Bullmann wiederum verweist darauf, dass er ein Provisionsverbot nicht rundheraus ablehnt: „Ich hätte Sympathie dafür, wenn es mit dem Aufbau öffentlicher Beratungsangebote einherginge. Dafür gibt es aber keine Mehrheiten.“

So erklärt auch Berichterstatter Ferber den Umschwung – trotz der noch kurz vorher versandten Pressemitteilung. „Arlene McCarthy und ich sind mit dem zwischen uns ausgehandelten Kompromiss in unsere Fraktionen zurückgegangen – und hatten keine Mehrheit dafür. Das ist ein ganz normaler Vorgang – und hat nichts mit Einfluss von außen zu tun.“

Am heutigen Freitag liegt das Gesetzespaket nun dem ganzen Parlament zur Abstimmung vor. Auf dem Tisch liegt ein aller Voraussicht nach chancenloser Änderungsantrag, der das Provisionsverbot wieder in den Gesetzestext hineinschreiben würde. Gestellt hat ihn: die britische Sozialistin Arlene McCarthy.