„Hansschwanz“ ist scheinbar Geschichte. Naketano, die Marke mit den auffällig benannten Schalkragenpullis, soll angeblich schließen – und bewahrt Funkstille. Das sagen die Experten dazu.

Stuttgart - „Äußerst merkwürdig“ – so bezeichnen Markenexperten die Meldung des Essener Modelabels Naketano. Die Ankündigung der beiden Labelgründer, am 31.12.2018 die scheinbar erfolgreiche Marke samt Internetshop dicht zu machen, bleibt bisher unbegründet. In einem Schreiben an die Einzelhändler gaben Sascha Peljhan und Jozo Lonac lediglich an, es sei „Zeit für eine Veränderung“. Für Medienvertreter ist die Firma seit der Meldung nicht zu erreichen. Inzwischen rätseln viele, ob die Schließung überhaupt ernst zu nehmen ist.

 

Zu verkennen ist die 2005 gegründete Essener Marke nicht. In den letzten Jahren sind ihre Oberteile unter Jugendlichen und der Generation zwischen 20 und 30 allgegenwärtig geworden, wie „Jack Wolfskin“-Jacken bei der Generation über 40. In den sozialen Medien sorgte die Nachricht über Einstellung der Naketano-Produkte daher für Aufsehen. Viele trauern der Marke nach und verkünden, sich auf die angeblich letzten verfügbaren Teile zu stürzen.

„Eine solche Form des Handels ist in diesen Zeiten sehr ungewöhnlich“, sagt Modemarkenexpertin Judith Meyer, Markenberaterin bei der Managementberatung Brand Trust. Jede Interpretation sei allerdings reine Spekulation. Viele Unternehmen würden um den Markteinstieg kämpfen, jeder wolle erfolgreich sein. Die Meldung von Naketano über den Rückzug passe so gar nicht in diese Zeit.

Ein vergleichbares Verhalten kennt Meyer aus der Modewelt nicht. Auch der Markenberater Franz-Rudolf Esch, kann sich an keinen ähnlichen Fall erinnern. „Aus wirtschaftlicher Sicht macht es überhaupt keinen Sinn“, sagt er. Wenn man eine Marke erfolgreich aufgebaut habe, sagt Esch, gebe es genug Möglichkeiten sich zurückzuziehen. Selbst wenn die beiden Gründer keine Lust mehr auf das Geschäft hätten – wie es laut Medienberichten in den Raum gestellt wurde – bestünden bei einer erfolgreichen Marke genug andere Möglichkeiten. Man könne beispielsweise einen externen Geschäftsführer einstellen oder an Dritte verkaufen. „Die beiden Gründer provozieren damit geradezu Spekulationen“, stellt Meyer fest.

Provokation wäre für Naketano, die unter anderem für die strittigen Namen ihrer Artikel bekannt wurde, nichts Neues. Oberteile wie „Glitzermuschi“ oder „I Love My Penis“, in Farben wie „Ficker Blue“ oder „Dünnschiss Kotze“, zogen mehrfach Sexismus-Vorwürfe nach sich. Einige Anbieter, wie Breuninger aus Stuttgart, ließen Naketanos Produkte auf ihren Webseiten lediglich mit „Hoodie, Rosa“ oder „T-Shirt, Grau meliert“ beschreiben.

Derbe Produktnamen und Schock-Werbung seien für die Markenwelt allerdings längst keine Neuheit, sagt Karsten Kilian, Leiter des Masterstudiengangs Marken- und Medienmanagement an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt. „Es hat sich ausgereizt, Produkten provokante Namen zu vergeben“, sagt er. Man denke an Getränkemarken wie der Likör „Ficken“, oder die mehrfach vom Werberat gerügte Smoothie-Marke „True Fruits“ mit ihrem „Samensaft“. Unter Jugendlichen käme Naketanos Provokation gut an, weil die Namen auf den Oberteilen lediglich versteckt auf dem Etikett stehen und daher wie Codes für Eingeweihte funktionierten. „Es ist ein Geheimnis – da weiß die Mama gar nicht, was sie da in die Waschmaschine schmeißt“.

Die aktuellsten Zahlen für Naketano im Bundesanzeiger für das Jahr 2015 deuten nicht auf finanzielle Schwierigkeiten der Marke hin. Der Umsatz betrug rund 60 Millionen Euro, der Gewinn rund 10 Millionen Euro. Die Umsatzrenditen der Firma zeigten dabei eine steigende Tendenz, von 15,59 Prozent im Jahr 2014 auf 16,86 Prozent im Jahr 2015. Für Kilian ist es allerdings denkbar, dass Peljhan und Lonac sich übernommen oder verkalkuliert hätten. Die finanzielle Lage hätte sich inzwischen ändern können: „Die Modebranche ist sehr schnelllebig – man kann heute vorne sein und zwei Jahre später vor der Insolvenz stehen“. Dies betreffe insbesondere Firmen die, wie Naketano, auf junges Publikum zielen.

Auch schließt Kilian eine mögliche, bewusste Falschmeldung nicht aus. Es sei denkbar, dass die Gründer damit entweder den Verkauf der Ware hochtreiben möchten. Man kenne diese Methode vor allem von Bands wie die „Rolling Stones“, die alle Jahre wieder ein „Abschiedstournee“ ankündigen würden. Ein anderes Ziel könnte sein, den Preis der Firma an sich zu steigern – auch wenn die Gründer in dem Schreiben angekündigt haben, Firma und Marke nicht zu verkaufen. „Jeder intelligente Mode-Mensch denkt dann, dass er auch eine solche Teenie-Marke bei sich haben will und ruft bei ihnen an“, sagt Kilian.

Meyer und Esch finden, dass eine solcher PR-Aktion der Firma lediglich schaden würde. „Das höchste Gut einer Marke, das Vertrauen, wurde erschüttert“, sagt Meyer. „Ob die Fans bei einem Neustart zur ihrer Marke halten, wird auch davon abhängen, wie Naketano diesen ,Stopp’ erklärt.“ Auch seitens der Partner und Einzelhändler, auf die die Marke angewiesen ist, wäre es ehe schädlich, sagt Esch: „Sie würden womöglich schon die letzte Kollektion nicht mehr bestellen und nach der Meldung Alternativen suchen. Einen solchen PR-Schritt würden sie Naketano übel nehmen“.