Das Amtsgericht Esslingen verurteilt einen 62 Jahre alten Mann zu einer Haftstrafe zur Bewährung. Er hat ein in seiner Wohnung eingemietetes Pärchen und deren Gäste mit einer versteckten Kamera auf dem Klo und beim Baden gefilmt.

Esslingen - Der 62 Jahre alte Angeklagte redet im Prozess am Amtsgericht Esslingen nicht lange drum herum. Er gibt zu, ein Pärchen, das bei ihm erst zu Gast war und später als Mieter bei ihm gewohnt hat, von Januar bis März 2016 mit einer in einer Spardose versteckten Kamera auf dem WC und beim Baden gefilmt zu haben. Laut dem Gesetz hat er sich damit wegen einer „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“ schuldig gemacht, wofür ihn der Richter Andreas Arndt am Dienstag zu einer sechsmonatigen Haftstrafe verurteilte, die zur Bewährung ausgesetzt ist.

 

Das stille Örtchen als Filmkulisse

Im März 2016 waren die heute 28-Jährige und ihr damaliger Freund dem Mann auf die Schliche gekommen. Auf einem Laptop in einem Schrank in dem mit dem Angeklagten gemeinsam genutzten Wohnzimmer habe sie die kompromittierenden Filmaufnahmen entdeckt. Auf diesen waren nicht nur die beiden Mitbewohner, sondern auch Gäste von ihnen zu sehen. Und da das stille Örtchen als Filmkulisse gut erkennbar war, habe ihr damaliger Freund die Kamera schnell gefunden, so die Frau im Zeugenstand. Allerdings hätten sie den 62-Jährigen, den sie schon seit langer Zeit kenne und der eine Art väterlicher Freund für sie gewesen sei, „aus Angst“ zunächst nicht zur Rede gestellt.

Im Gegenteil: im darauffolgenden September unterschrieb das Paar sogar einen Mietvertrag bei ihm. Aus einer Notlage heraus, weil sie ihre Wohnung verloren hatten. Bis dahin seien sie nur ab und an zu Gast in der Wohnung des Esslingers gewesen. Zunächst hatte die junge Frau bei der Polizei angegeben, der Angeklagte habe im November 2016 damit gedroht, die Aufnahmen ins Internet zu stellen, sollten sie die Wohnung nicht rasch verlassen – angeblich, weil keine Miete geflossen sei, wie der 62-Jährige sagt. An die ursprünglich als Nötigung angeklagte Drohung konnte sich die 28-Jährige vor Gericht plötzlich nicht mehr erinnern, weshalb der Anklagepunkt eingestellt wurde.

Die Nötigung hat der 62-Jährige ohnehin vehement bestritten. Nicht aber die Filmaufnahmen. Mit denen habe er sich vor Forderungen und Verdächtigungen des Paares schützen wollen, behauptet er. Auf den Einwand des Vorsitzenden, auf dem Klo würden solcherlei Absprachen üblicherweise nicht getroffen, räumt er kleinlaut ein: „Vielleicht auch, weil ich eine nackte Frau sehen wollte.“

Aber die von ihm im Januar 2016 installierte Kamera habe keine qualitativ hochwertigen Bilder geliefert, zudem sei sie „nicht besonders gut versteckt“ gewesen und er habe sie im August 2016 wieder abgebaut, fügt er beschwichtigend hinzu. Allerdings sind ihm sexuell motivierte Straftaten offenbar nicht fremd, denn er ist wegen der Verbreitung kinderpornografischer Schriften vorbestraft.

Viele Bilder von mehreren Geschädigten

Das wirke sich auch strafverschärfend auf das Urteil aus, wie Arndt in seiner Begründung anmerkt. Ebenso die Tatsache, dass sich auf der Festplatte „sehr viele Bilder mit mehreren Geschädigten in sehr intimen Posen“ befanden. Eine Geldstrafe sei deshalb nicht infrage gekommen.

Doch habe die Zeugin dem Mann die Tat „nicht wild nachgetragen“. Zudem sei er geständig und habe sich während der langen Verfahrensdauer nichts zu Schulden kommen lassen. Doch um die Bewährungsauflage, 40 Arbeitsstunden für einen gemeinnützigen Zweck und eine Beratung in einer psychotherapeutischen Ambulanz aufzusuchen, kommt der Angeklagte nicht herum – sonst müsste er hinter Gitter.

Überwachen und filmen: Welche Rechte haben Vermieter?

Persönlichkeitsrechte
Jede Speicherung eines Bildes in Wohnsituationen ist eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Darauf weist der Vorsitzende des Stuttgarter Mietervereins, Rolf Gaßmann, grundsätzlich hin. Eine Speicherung könne nur dann gerechtfertigt sein, wenn andere grundgesetzlich geschützte Güter dem entgegenstehen und höher zu bewerten sind.

Hausrecht
Videoüberwachung im Hausflur, vor der Haus- oder Wohnungstür ist zur Wahrnehmung des Hausrechts möglich. Bewohner und Besucher müssen deutlich darauf hingewiesen werden. Eine heimliche Kamera in einem Aufzug ist eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Ein heimliches Überwachen von Zugängen oder Hinterhöfen ist ebenfalls unzulässig.