Es war ein Unfall, den man sich schlimmer kaum ausmalen könnte: Ein Lieferwagenfahrer ist bei Weil der Stadt auf die Gegenspur geraten und mit dem Auto einer Schwangeren kollidiert. Die Frau verlor dadurch ihr Baby. Jetzt stand der Mann vor Gericht.

Böblingen - Eine kurze Unaufmerksamkeit – und schon ist ein Unfall mit tragischen Folgen passiert. Mit einem solchen Fall hat sich nun das Amtsgericht Leonberg (Kreis Böblingen) befassen müssen. Ein 40-jähriger Paketbote war im Mai 2016 auf der Bundesstraße zwischen Weil der Stadt und Renningen mit seinem Kleinlaster auf die Gegenfahrbahn geraten und dort mit dem Audi einer 35-Jährigen zusammengestoßen. Beide Fahrer wurden verletzt, zudem die eineinhalbjährige Tochter, die auf der Rückbank in einem Kindersitz angeschnallt war.

 

Die Frau, die in der 28. Woche schwanger war, erlitt ein Bauchtrauma und wurde mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus geflogen. Dort musste ihr Sohn per Kaiserschnitt notentbunden werden. Einen Tag später starb der Junge an den Folgen einer Hirnblutung. Wegen zweifacher fahrlässiger Körperverletzung verurteilte das Gericht den Fahrer des Kleinlasters zu einer Geldstrafe von 5400 Euro und erteilte ihm ein dreimonatiges Fahrverbot.

Grund für den Unfall blieb unklar

„Dies ist ein Fall, für den es keinen gerechten Ausgleich und kein angemessenes Urteil gibt“, sagte der Staatsanwalt in seinem Schlussplädoyer. Richterin Jasmin Steinhart berücksichtigte bei ihrem Urteil auch, dass der Angeklagte unter den Folgen seiner Tat leide und bei einer Verkehrspsychologin Hilfe gesucht hatte. Der Verteidiger des 40-Jährigen wies darauf hin, sein Mandant könne das Leiden der Mutter sehr gut nachvollziehen, da dessen Frau derzeit schwanger sei.

Der Mann, der auf dem Rückweg von seiner Nachtschicht als Paketbote war, hatte den Anklagevorwurf unumwunden eingeräumt. Laut eines Gutachtens war er zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes rund 90 Kilometer pro Stunde schnell, die Audi-Fahrerin 50 Kilometer pro Stunde. Warum er auf die Gegenfahrbahn geraten war, ließ sich nicht aufklären. Bei einer medizinischen Untersuchung fanden sich in seinem Blut weder Reste von Alkohol noch von Drogen. Es konnte durch eine technische Untersuchung zudem ausgeschlossen werden, dass er mit dem Handy telefoniert hatte. „Ich war auch nicht übermüdet. Ich habe mich gut gefühlt und hatte vor der Nachtschicht acht Stunden geschlafen“, erklärte der Angeklagte, der pro Jahr rund 40 000 Kilometer fährt. Es sei hell und die Straße trocken gewesen.

Der Prozess zog sich in die Länge

Der Angeklagte sagte, er könne sich an den Fahrfehler nicht erinnern. „Meine Erinnerung setzt erst wieder ein, als ich ein Kind schreien hörte“, sagte der 40-Jährige, der nach dem Unfall seinen Job verlor. Er habe nach der Kollision helfen wollen, dann aber festgestellt, dass er nicht gut laufen konnte, da er am Oberschenkel verletzt gewesen sei. Zudem habe er eine Brustwirbelprellung erlitten. Die Verletzungen der Frau, die in dem Prozess als Nebenklägerin auftrat, waren schlimmer. Sie bekam einige Glassplitter ins Auge und in eine Hand, zudem wurde ihre Halsschlagader verletzt – mit noch nicht absehbaren Folgen: „Ich kann zwar wieder fast alles machen, aber es bleibt das Restrisiko eines Schlaganfalls.“ Aus Sicherheitsgründen habe sie ihr Hobby, das Fußballspielen, aufgegeben. Ihre Tochter erlitt bei der Kollision ein Bauchtrauma, eine Schädelprellung und Hämatome. „Sie hat keine bleibenden Schäden davongetragen und kommt auch mit dem Tod ihres Bruders zurecht“, sagte die 35-Jährige, die vor einem Jahr einen gesunden Sohn zur Welt gebracht hat.

Mit dem dreimonatigen Fahrverbot blieb die Richterin an der unteren Grenze des Strafenkatalogs und berücksichtigte dabei, dass der Angeklagte eine Familie unterhalten müsse. „Außerdem ist die Tat zweieinhalb Jahre her“, sagte Steinhart. Dass der Prozess sich so in die Länge gezogen habe, sei auf die zwei umfangreichen Sachverständigengutachten und Terminprobleme zurückzuführen.

Die Nebenklägerin und ihr Mann machten deutlich, dass sie nicht auf eine Bestrafung aus seien, sondern dass sie sich eine Antwort darauf erhofften, wie es zu dem Fahrfehler gekommen sei. Diese blieb aus.