237 Möbelstücke im Wert von rund 37 000 Euro aus Lagerhalle mitgehen lassen.

Leonberg - Die beiden Angeklagten im Saal des Amtsgerichts sind sichtlich angespannt: Ständig wippen ihre Füße auf und ab, einer knetet andauernd seine Hände und kann sie kaum stillhalten. Man traut dem 36-Jährigen kaum zu, dass er einen solchen Coup durchgezogen hat.

 

Er soll im Jahr 2016 aus dem Lagerraum einer Rutesheimer Firma für Leihmöbel insgesamt 237 Designerstühle im Wert von vermeintlichen 75 000 Euro gestohlen haben und dann an einen 46-jährigen Arbeitskollegen weiterverkauft haben. Dieser soll versucht haben, die Stühle über eine Online-Plattform weiter zu verkaufen. Auf die Spur der Angeklagten war die Firma selbst gekommen: Ein Mitarbeiter hatte im Januar 2017 auf Ebay für seine Wohnung Stühle gesucht und war dabei auf die Designerstühle seiner Firma gestoßen. Die hatte bei einer Inventur einen hohen Fehlbestand festgestellt.

Mitarbeiter überführt den Dieb

In Absprache mit seinen Vorgesetzten arrangierte er einen Probe-Kauf von sechs Stühlen und stellte anhand von Aufklebern fest, dass es sich tatsächlich um Ware seines Arbeitgebers handelte. Daraufhin fädelte die Firma einen zweiten Kauf ein und verständigte die Polizei. Bei der vermeintlichen Übergabe schlugen die Beamten zu und fanden in der Garage des 46-Jährigen 104 Stühle und in der Garage seiner Schwägerin weitere 120 Stühle. Sieben Stühle wurden in der Wohnung des 36-Jährigen gefunden. Während der 46-Jährige keine Angaben zur Sache machen wollte, nutzte der 36-Jährige den Prozess fast zu einer Art Lebensbeichte.

Den Diebstahl räumte er unumwunden ein: „Es war eine plötzliche Gelegenheit, ich stand unter Adrenalin und dachte, ich könnte schnell Geld machen“. Er habe mit einem Leih-Transporter Abfälle aus dem Garten seiner Eltern zu einem Container gebracht, der im Hof der Firma stand. Ein Bruder, der im gleichen Haus bei einer anderen Firma arbeitete, habe ihm gesagt, dass er den Container nutzen könne. „Die Tür des Lagerraums stand offen, und ich habe die Stühle in den Transporter geladen“, führte der 36-Jährige weiter aus.

Vorfall belastet die Ehe

Kurz darauf sei er zu seinem Arbeitskollegen gefahren, von dem er wusste, dass dieser öfters bei Ebay verkaufe, und habe ihm die Stühle angeboten. „Ich habe ihm gesagt, dass mein Bruder einen Räumungsverkauf macht“, sagte der 36-Jährige – dabei schlug seine Frau, die den Prozess im Gerichtssaal verfolgte, ihre Hände vors Gesicht. Der Vorfall habe die Ehe der beiden belastet, erzählte der Angeklagte, seine Frau kontrolliere ihn seitdem.

Über einen Preis für die Stühle habe er mit seinem Arbeitskollegen nicht gesprochen, irgendwann habe der ihm 2500 Euro gegeben, damit habe er seinen Anwalt bezahlt. Als die Polizei im Februar 2017 bei seinem Arbeitskollegen angerückt sei, habe er ihm die Wahrheit über die Stühle erzählt. In allen Dingen mochte das Schöffengericht den Ausführungen des Angeklagten nicht folgen.

Hat der 36-Jährige allein gehandelt?

Insbesondere gab es Zweifel daran, ob der 36-Jährige die 237 Stühle allein in den Transporter habe einladen können. Der Betriebsleiter der Firma erklärte im Zeugenstand, die Stuhl-Paletten hätten insgesamt ein Gewicht von rund 400 Kilogramm gehabt. Zweifel äußerte er auch daran, dass der Lagerraum an einem Samstag offen gewesen sein soll. Den Schlüssel zum Hoftor hätten nur Mitarbeiter seiner Firma und einer anderen im gleichen Haus gehabt. In beiden arbeiteten Brüder des 36-Jährigen.

Der Staatsanwalt hielt dies auch für die wahrscheinlichere Version und forderte für den geständigen 36-Jährigen eine Bewährungsstrafe von 18 Monaten und eine Geldbuße von 5000 Euro wegen gewerbsmäßigen Diebstahls. Für den 46-Jährigen hielt er eine Bewährungsstrafe von 20 Monaten und eine Geldbuße in gleicher Höhe für angemessen.

Verkäufer beteuert Unschuld

Der Verteidiger des 46-Jährigen forderte Freispruch für seinen Mandanten. Er habe nicht erkennen können, dass die Stühle gestohlen waren. „Warum soll er seinen gut bezahlten Job aufs Spiel setzen für einen Diebstahl, der in der Nähe stattgefunden hat?“, fragte der Anwalt. Der Verteidiger des 36-Jährigen hielt eine Bewährungsstrafe von einem Jahr für seinen Mandanten für angemessen. „Er hat lange auf diesen Prozess gewartet und will jetzt einen Schlussstrich unter diese Spontantat ziehen“, meinte sein Anwalt.

Das Schöffengericht verhängte letztendlich Bewährungsstrafen von 20 Monaten für den 46-Jährigen wegen gewerbsmäßiger Hehlerei und 14 Monate für den geständigen 36-Jährigen wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall. Letzter muss zudem jeweils 2000 Euro an das Seehaus Leonberg und das DRK Böblingen bezahlen. Der 46-Jährige muss je 2000 Euro an das Seehaus, das DRK Böblingen und das Kinderhospiz Böblingen überweisen.

Genug Indizien

Es habe genug Indizien gegeben, dass die Stühle nicht legal erworben worden waren, meinte die Vorsitzende Richterin Sandra De Falco. So hätten die Stühle Aufkleber der Firma gehabt, zudem habe man nicht über den Preis gesprochen. Allerdings korrigierte das Gericht den Schaden nach unten: Da die Stühle überwiegend gebraucht gewesen seien, sei ein 50-prozentiger Abschlag zu machen, sodass der Schaden nur 37 000 Euro betragen habe.