Die Stimmung bei Bosch in Feuerbach ist infolge des Dieselskandals und seiner möglichen Folgen ohnehin angespannt. Jetzt sorgt die Kündigung eines Betriebsratsangehörigen für Verwerfungen. Das Arbeitsgericht deutet an, dass diese rechtens sein könnte.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Der Saal des Stuttgarter Arbeitsgerichts kann die rund 50 Zuhörer gar nicht fassen, so groß ist das Interesse der Feuerbacher Bosch-Mitarbeiter. Es hätten noch mehr sein können: „Manche haben Angst, hier gesehen zu werden“, sagt einer von ihnen. Aus Sicht dieser Boschler geht es um mehr als die verhaltensbedingte Kündigung eines Kollegen – es geht für sie darum, dass hier ein Betriebsrat, der etwa auf seiner Intranetseite Management und Arbeitnehmervertretung unangenehme Fragen gestellt habe, ausgebootet werden soll. Er sei ein streitbarer Mensch, sagt ein anderer – aber das müsse er auch sein. Das Verfahren habe ein „G’schmäckle“, lautet ein weiterer Kommentar. Ein ausfälliges Verhalten trauen die hier Anwesenden dem Gefeuerten nicht zu.

 

Ob er dennoch überzogen hat, erkundet das Gericht. Der 49-jährige Betriebsrat soll – infolge diverser Vorfälle – die Personalleiterin am Standort Feuerbach am 8. Februar 2018 vor Zeugen mit den Worten bedroht haben: „Sie sind sehr mutig, wenn Sie sich mit mir anlegen. Ich mache Sie fertig, Sie werden schon noch sehen.“ Dabei soll er sich „aggressiv im Türrahmen aufgebaut“ haben. Am 13. Februar wurde dem vierfachen Familienvater fristlos gekündigt. Die Personalchefin begab sich tags drauf aufgrund von Panikattacken in ärztliche Betreuung.

Mehrere Kündigungsvorwürfe zurückgewiesen

Der Mann, seit 1997 als Entwicklungsingenieur in Feuerbach tätig, bestreitet den emotionalen Auftritt nicht – den behaupteten Wortlaut sehr wohl. So verkündete der Vorsitzende Richter Ulrich Lips am Mittwochnachmittag einen Beweisbeschluss zur Vernehmung von vier Zeugen (unter anderem die Personalleiterin, ihr Sohn und die Sekretärin), die voraussichtlich im Herbst stattfindet. Alle weiteren vom Arbeitgeber erhobenen Kündigungsvorwürfe rechtfertigen nach Ansicht der Kammer keine fristlose Kündigung.

„Aus meiner Sicht ist das schlecht gelaufen, weil alle Zeugen im Lager des Arbeitgebers sind“, sagte der Anwalt des Gefeuerten, Rolf Schaefer. Sein Mandant habe keine Zeugen, obwohl er mit der Personalchefin nicht allein, sondern in Begleitung eines Betriebsratsmitglieds reden wollte. Wenn nun von den Zeugen die Version des Arbeitgebers vor Gericht bestätigt werde, sei sein Mann „nach Auffassung der Kammer nach 21 Jahren ordentlicher Arbeitnehmertätigkeit und zwölf Jahren als Betriebsratsmitglied seinen Arbeitsplatz los – ohne Kündigungsfrist und Abfindung“, so Schaefer. „Das ist schon bitter.“ Der Richter wolle „sein Urteil auf ein Augenblicksversagen im Vorraum des Büros der Personalleiterin stützen“. Im Betrieb würden nun mal Konflikte ausgetragen. Dies sei ein Teil der Mitbestimmung.

Welche Rolle spielt die IG Metall?

Seit 2014 ist der Ingenieur freigestellter Betriebsrat, seit zwölf Jahren IG-Metall-Mitglied – von beiden Seiten sieht er sich nicht unterstützt. Vielmehr habe das Betriebsratsgremium der Kündigung eilig die Zustimmung erteilt, und die Rechtsstelle der IG Metall Stuttgart hätte dies noch beschleunigt. Dabei sei der Rechtsweg nicht eingehalten worden. Möglicher Grund: Wegen Kritik an der Aufarbeitung des Diesel-Skandals und weiterer konträrer Auffassungen war er zu unbequem geworden. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die IG Metall statt des Rechtsschutzes durch eigene Anwälte das Honorar von Schaefer bezahlt.

Richter Lips schließt einen Zusammenhang zum Verfahren ausdrücklich aus: „Die Betriebsratstätigkeit spielt hier keine Rolle.“ Doch wurde der Mann während der Betriebsratswahlen gefeuert. Anwalt Schaefer meint: Man werde dies nicht beweisen können, aber es liege nahe, dass der Betriebsratsvorsitzende seinen Mandanten nicht mehr im Gremium haben wollte – zumal es zwischen beiden schon im November 2017 einen verbalen Schlagabtausch gegeben hatte. Sollte die Wiederwahl des 49-Jährigen demnach verhindert werden?

Bosch sieht sich in seiner Rechtsauffassung bestätigt

Betriebsratschef Frank Sell wollte sich auf Anfrage nicht dazu äußern – ebenso wenig die IG Metall. Ein Bosch-Sprecher zeigt sich vorsichtig zufrieden: „Ein laufendes Verfahren können wir nicht im Detail kommentieren“, sagt er. Aber die Kammer habe erkennen lassen, dass sie die dargestellte „schwerwiegende Pflichtverletzung“ als außerordentlichen Kündigungsgrund erachte. „Deswegen sehen wir uns bei Bosch in unserer Rechtsauffassung bestätigt.“