Im Dezember 2010 wurde in Vaihingen ein homosexueller Krankenpfleger auf grausame Weise umgebracht. Jetzt hat der Prozess begonnen.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Vaihingen/Enz - Es war der 13. Dezember 2010. Um 9.20 Uhr öffneten Polizisten die Tür zu einer Wohnung in der Aschmannstraße in Vaihingen. Das dortige Krankenhaus hatte die Beamten alarmiert, weil ein 51 Jahre alter Krankenpfleger nicht zur Arbeit erschienen war. In der Wohnung fanden die Polizisten die Leiche, mit durchgeschnittener Kehle und schweren Stichverletzungen an den Armen und der Brust. Die Zimmer waren durchwühlt, weshalb die Ermittler zunächst an einen Raubüberfall dachten. Als eine Sonderkommission das Umfeld des Opfers durchleuchtete, verdichteten sich Hinweise, dass womöglich ein ganz anderes Motiv eine Rolle gespielt hat. Die Spur führte auf den Balkan. Am Montag hat der Prozess begonnen.

 

Der Krankenpfleger und der Angeklagte waren liiert

Auf der Anklagebank des Heilbronner Landgerichts sitzt ein 26-jähriger Mazedonier. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er seit Februar 2010 mit dem Krankenpfleger liiert gewesen war. Dass die beiden sich trennten und wieder versöhnten. Dass der 26-Jährige das Wochenende vor der Tat in der Vaihinger Wohnung des Mannes verbrachte. Und dass er ihn am 12. Dezember mit der 23 Zentimeter langen Klinge eines Küchenmessers „bewusst und gewollt getötet“ hat. Vermutlich nach einem Streit, sagt der Staatsanwalt. Aber der Anlass sei unklar. Die Anklage lautet: Totschlag.

Vielleicht werden die Hintergründe nie aufgeklärt. Der Mazedonier spricht kaum Deutsch und lässt zu Beginn der Verhandlung über den Dolmetscher erklären, dass er zu den Vorwürfen schweigen werde. Aber er äußert sich zu seinem bisherigen Leben, das kein leichtes gewesen ist – und das ihn im Jahr 2010 nach Baden-Württemberg führte. Seine Mutter habe die Familie früh verlassen, er habe sich in seiner Heimat mit Gelegenheitsjobs in der Landwirtschaft über Wasser gehalten. Als seine Großmutter, seine wichtigste Bezugsperson, starb, sei er drei Wochen in eine Nervenklinik gekommen. Und schließlich habe ihn auch noch der Vater verstoßen. „Ich mag Frauen, ich mag Männer“, berichtet der Angeklagte den Richtern der 3. Schwurgerichtskammer. „Aber ich mag besonders gern Männer.“ Der 26-Jährige vermeidet den Begriff Homosexualität. „Wenn man so ist, bekommt man Ärger mit der Gesellschaft. Als das herauskam, waren alle sehr böse mit mir.“ In Mazedonien könne es vorkommen, dass ein Mann, der Männer mag, umgebracht wird. Dass diese Aussage vor dem Hintergrund der Tat in Vaihingen fast zynisch klingt, ist wohl keine Absicht.

Die Anklage stützt sich auf eine blutbefleckte Jeanshose

Fakt ist: Anfang 2010 reiste der Angeklagte mit Freunden nach Deutschland zu einer Bekannten in Stuttgart. Den Krankenpfleger habe er in einer Sauna kennengelernt. „Mehr werde ich dazu nicht sagen.“ Später kommt er doch noch einmal auf den Toten zu sprechen. Er habe den 51-Jährigen einmal gemeinsam mit einem anderen Freund in Vaihingen besucht. „Da wurde er eifersüchtig.“ Der Angeklagte führte zu dieser Zeit ein Vagabundenleben, wohnte mal in Stuttgart, mal in Wuppertal, kehrte nach Mazedonien zurück, dann lebte er in Dortmund und wieder in Stuttgart. Die Angaben sind lückenhaft und manchmal kryptisch.

Die Anklage stützt sich unter anderem auf eine am Vaihinger Bahnhof gefundene Jeanshose, die mit Blut des Opfers befleckt ist und DNA-Spuren des Angeklagten aufweist. Am 13. Dezember fuhr der 26-Jährige mit dem Zug über die Schweiz nach Mazedonien – nur einen Tag nach der Tat. Zudem fiel den Ermittlern am Tatort ein leerer Bilderrahmern auf. Darin soll sich zuvor ein Foto der beiden Männer befunden haben – so berichteten es Zeugen in den Vernehmungen gegenüber der Polizei.

Der 26-Jährige wurde in Serbien verhaftet und dann ausgeliefert

Ein internationaler Haftbefehl brachte den 26-Jährigen zurück nach Baden-Württemberg. Mazedonien hatte sich geweigert, den Mann auszuliefern. Aber am 25. August 2011 fuhr er nach Serbien, nach eigener Aussage wollte er dort arbeiten. Beim Grenzübertritt wurde er festgenommen. Drei Monate später holten ihn deutsche Beamte ab. Damals leugnete er, den Krankenpfleger getötet zu haben. Es sind also noch genug Fragen offen. Für den Prozess sind neun Verhandlungstage angesetzt.