Am 5. September beginnt am Landgericht Freiburg der Prozess gegen den jungen afghanischen Asylbewerber, der eine 19-jährige Studentin vergewaltigt und ermordet haben soll. 45 Zeugen und zehn Sachverständige sollen Licht in die Tatnacht bringen.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Freiburg - Es ist der frühe Morgen des 16. Oktober 2016. Die Freiburger Studentin Maria L. radelt vom Fachschaftsfest der Mediziner auf dem Dreisamradweg nach Hause. In Höhe des Schwarzwaldstadions lauert ihr ein Mann auf. Er reißt die 19-Jährige vom Fahrrad, zerrt sie ins Gebüsch, vergewaltigt sie und legt sie in der Dreisam ab. Die bewusstlose Frau stirbt in dem kaum mehr als knietiefen Fluss.

 

Der Fall wird nun vom 5. September an unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen am Freiburger Landgericht verhandelt. Der Angeklagte gab sein Alter mit 17 an, doch daran zweifelt die Freiburger Justiz. Der Prozess wird deshalb öffentlich stattfinden, was bei einem jugendlichen Angeklagten sonst zwingend ausgeschlossen wäre. Zwei Gutachter kommen übereinstimmend zu der Überzeugung, dass der Mann vermutlich Mitte 20, mindestens aber 22 Jahre alt sein muss. Für diese Diagnose habe unter anderem das Röntgenbild einer Hand vorgelegen. Zudem konnte ein Dentalgutachten erstellt werden. Offenbar hatten die Freiburger Ermittler einen verlorenen Zahn gefunden.

Das Urteil fällt frühestens Anfang November

Trotzdem wird die Tat vor der Jugendkammer verhandelt. Dies stelle sicher, dass der Prozess auch dann nicht platzen würde, wenn sich wider Erwarten doch Hinweise ergeben sollten, dass der Mann zum Tatzeitpunkt noch keine 21 Jahre alt gewesen sein sollte, sagt der Oberstaatsanwalt Michael Mächtel. Dann wäre er als Heranwachsender zu betrachten. In diesem Fall müsste das Gericht entscheiden, ob Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht anzuwenden ist. Im einen Fall liegt die Höchststrafe für Mord bei zehn Jahren, im anderen bei lebenslänglich. Für den Prozess sind bisher 13 Verhandlungstage anberaumt. Insgesamt sind 45 Zeugen und zehn Sachverständige geladen. Das Urteil dürfte frühestens Anfang November fallen.

Der Mord hatte im Herbst 2016 das Sicherheitsgefühl und das Miteinander in der sonst so weltoffenen Stadt Freiburg belastet. Als die Polizei nach anderthalbmonatiger fieberhafter Suche einen angeblich 17-jährigen unbegleiteten Flüchtling aus Afghanistan als mutmaßlichen Täter präsentierte und der Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) in Anbetracht dieser Erkenntnis zur Besonnenheit mahnte, erntete er über E-Mail und die sozialen Netzwerke Hunderte Hassbotschaften, Beleidigungen, Morddrohungen. Und selbst die Eltern des Opfers, die in ihrer Traueranzeige um Spenden für eine studentische Hilfsorganisation baten, die sich unter anderem mit der Flüchtlingshilfe befasst, wurden beschimpft. Zwei Verfasser von Hassmails haben bereits eine Strafe erhalten. Das Amtsgericht hat Strafbefehle in jeweils vierstelliger Höhe verschickt.

Polizei hat hervorragende Arbeit geleistet

Nach den Übergriffen in der Silvesternacht von Köln waren aber keineswegs nur Scharfmacher verunsichert. Im Unterschied zu Köln steht Freiburg nicht für ein Staatsversagen. Die Polizei leistete hervorragende Arbeit. Ein blondiertes, langes Haar aus einem Busch am Tatort konnte dem Täter zugeordnet werden. Eine Polizistin entdeckte bei einer erneuten Durchsicht zahlreicher Überwachungsvideos von der Tatnacht in einer Straßenbahn einen jungen Mann mit einem dazu passenden Haarschnitt. Einen Tag später kontrollierte eine Polizeistreife den Verdächtigen trotz neuer Frisur im Stadtteil Littenweiler und nahm ihn fest. Wieder einen Tag später meldete das Stuttgarter Landeskriminalamt den Volltreffer bei der DNA-Analyse.

Seither sitzt der Beschuldigte in Untersuchungshaft und schweigt. Die Polizei ist dennoch weitergekommen. Sie hat herausgefunden, dass der Mann in der Tatnacht zuvor bereits drei anderen Frauen nacheinander unangenehm aufgefallen war. In einer Bar, in der Straßenbahn und an der Endhaltestelle seien sie belästigt worden. Und es stellt sich heraus, dass der Mann bereits im Sommer 2013 auf der griechischen Insel Korfu eine Studentin überfallen und fast ermordet haben soll. Trotz einer zehnjährigen Jugendstrafe war er aber nur kurz im Gefängnis gesessen und war dann nach Deutschland gekommen.