Weil er vor einer Diskothek in Zuffenhausen einem Mann in den Bauch gestochen hat, muss sich ein 27-Jähriger seit Donnerstag wegen versuchtem Totschlag vor dem Landgericht Stuttgart verantworten.

So recht erklären kann er sich die Tat selbst nicht mehr. „Alles ging ganz schnell“, sagte der Angeklagte zum Prozessauftakt vor der Schwurgerichtskammer. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, in den frühen Morgenstunden des 8. Mai gegen 3.15 Uhr vor dem Eingang einer Diskothek in Zuffenhausen mit einem Messer einen anderen Mann in den Bauch gestochen zu haben. Das Opfer erlitt schwere Verletzungen und musste im Katharinenhospital notoperiert werden. Am Tag nach der Tat stellte sich der Angreifer. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft.

 

Das spätere Opfer habe dem Täter Kokain zum Kauf angeboten

Der Attacke war gemäß der Einlassung des Angeklagten ein Gespräch mit dem späteren Opfer vorausgegangen. Gemeinsam mit einem Freund war der 27-Jährige gerade dabei, den Nachhauseweg anzutreten. Vor dem Eingang der Diskothek habe er sein späteres Opfer angesprochen und gefragt, ob er Hilfe brauche. Das Opfer habe geantwortet, dass es nicht in den Club gelassen werde. Im weiteren Gesprächsverlauf habe das spätere Opfer wiederholt gefragt, ob der Täter Kokain kaufen wolle. Er habe mehrmals verneint, sagte der Angeklagte. Schließlich habe der Mann erklärt, dass er das Kokain den Kindern des 27-Jährigen schicken wolle. „Da ist mir eine Sicherung durchgebrannt“, sagte der Angeklagte. „Ich denke immer wieder darüber nach, wie es so weit kommen konnte“, erklärte der Mann auf der Anklagebank. Er bedauere seine Tat. Er habe sein Opfer nicht töten wollen.

Am Nachmittag vor der Tat habe er sich mit einem Freund getroffen und begonnen Alkohol zu konsumieren. „Wir haben Raki getrunken.“ Später seien sie zunächst in eine Diskothek irgendwo in Stuttgart gegangen, bevor sie nach Zuffenhausen weitergezogen seien. Dass er seit etwa zehn Jahren regelmäßig zu viel Alkohol konsumiere, sei ihm bewusst. Meistens trinke er Raki, gelegentlich auch Whiskey, Wodka, Bier oder Wein. Außerdem habe er vor seiner Inhaftierung eine Schachtel Zigaretten am Tag geraucht.

Sind 5000 Euro Schmerzensgeld ausreichend?

Das Messer habe er nur zufällig dabeigehabt, beteuerte der Angeklagte, der meist mit gesenktem Blick und leiser Stimme mit seinem Dolmetscher sprach. Eigentlich habe er das Messer im Auto, um sich dort gelegentlich Essen zuzubereiten. Beim Putzen des Autos habe er das Messer dann wohl eingesteckt und nicht wieder zurückgelegt.

Das Opfer tritt als Nebenkläger vor Gericht auf. Über seinen Anwalt ließ der Angeklagte erklären, sofort 5000 Euro Schmerzensgeld bezahlen zu können. Allerdings signalisierte die Vertreterin der Nebenklage umgehend, dass 5000 Euro angesichts der Tat kaum ausreichen werden.

Um die Ehe des Täters stand es nach einer Affäre nicht gut

Neben der Verlesung der Anklageschrift und der Einlassung des Angeklagten stand die Biografie des 27-Jährigen zum Prozessauftakt im Zentrum des Interesses des Vorsitzenden Richters Norbert Winkelmann. Er sei in Izmir (Türkei) geboren und aufgewachsen, berichtete der Angeklagte. Im Jahr 2014 habe er ein Studium des Banken- und Versicherungswesens begonnen. Er sei aber vor seinem Abschluss nach Deutschland umgezogen. Nach Deutschland sei er zunächst gekommen, um seine Familie zu besuchen, die zwischen 2014 und 2018 in der Bundesrepublik lebte. Beim Familienbesuch habe er seine spätere Ehefrau kennengelernt.

Die Hochzeit fand 2016 statt. Um die Ehe sei es nach einer Affäre seinerseits trotz zweier Kinder zuletzt nicht mehr gut gestanden, berichtete der Mann weiter. Eine Scheidung habe kurz bevorgestanden. Er habe Sorgen vor dem Verlust der Kinder gehabt. Aus der Wohnung in Oberstenfeld (Kreis Ludwigsburg) wäre die Ehefrau dann vermutlich wieder nach Ulm gezogen, wo sie vor der Hochzeit gelebt hatte. Seit seiner Verhaftung rede seine Frau aber nicht mehr von der Scheidung. Für das Verfahren sind fünf Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil wird am 21. November erwartet.