Zwei junge Stuttgarter beschließen an einem Freitagabend, einen anderen „abzuziehen“, wie sie sagen. Seit Oktober sitzen sie in Untersuchungshaft und seit Freitag müssen sie sich vor der Jugendkammer des Landgerichts verantworten.

Stuttgart - Es war Ende September, als sich drei junge Männer zu einem Deal verabredeten. Zwei wollten dem dritten angeblich Marihuana verkaufen, doch von vornherein war klar, dass zwei von ihnen nicht an einen Handel gedacht hatten, sondern ihr Opfer bestehlen wollten. Das bestätigten die Verteidiger im Namen der beiden Angeklagten im derzeit laufenden Gerichtsprozess und damit auch die Vorwürfe der Anklage. Es sei darum gegangen, dem Opfer gewaltsam Geld und Wertgegenstände abzuknöpfen. „Wie sich die Sache dann weiterentwickelt hat, war nicht geplant“, ließen die beiden ihre Anwälte erklären, „wir haben uns wechselseitig hochgeputscht.“

 

„Wir wissen, wo ihr wohnt“

Die Anklage schildert die Vorkommnisse so: Am verabredeten Ort traf das Opfer mit zwei Kumpels ein. Während die im Auto blieben, entfernte sich einer der Angeklagten mit dem Opfer ein Stück vom Fahrzeug, zog eine Waffe, richtete sie auf den Oberkörper seines Gegenübers, repetierte die Waffe und verlangte Bargeld. Auf Zuruf und nach vorheriger Absprache erschien der zweite Angeklagte, ein 20-Jähriger, mit einem Messer. Derart eingeschüchtert übergab das Opfer Geldbeutel und Armbanduhr.

Daraufhin ging der bereits mehrfach vorbestrafte 19-jährige Angeklagte mit seiner Pistole zum Auto, setzte sich auf den Rücksitz und die Waffe an die Schläfe des Fahrers, repetierte erneut und verlangte auch von den Autoinsassen Geld und Wertgegenstände. Weil ihm das nicht genug erschien, schlug er einem Insassen mit der Hand ins Gesicht, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, bei der Bank noch Geld abzuheben, was auch erfolgte. Dann ließ er sich die Ausweise geben, fotografierte die Daten ab und drohte: „Wagt bloß nicht, die Polizei zu holen, wir wissen, wo ihr wohnt.“

Gerade zwei Monate zuvor hatte 19-Jährige mit türkischem Pass eine dreijährige Haftstrafe wegen schweren Bandendiebstahls verbüßt. Er war nicht vorzeitig aus der Haft entlassen worden, weil es im Gefängnis zu zahlreichen Zwischenfällen gekommen war und er sich laut Haftbericht nicht an Regeln halten konnte.

Anklagepunkte eingeräumt

Die Verteidiger baten die Jugendkammer um ein Verständigungsgespräch zwischen den Prozessbeteiligten. In der fast zweistündigen Unterredung machte die Staatsanwaltschaft deutlich, dass für den Haupttäter ohne ein Geständnis eine Freiheitsstrafe von fünf, für den zweiten Angeklagten von drei Jahren beantragt wird. Da die beiden jungen Männer mit der Tat gleich mehrere Straftaten begangen haben – Körperverletzung und schwere räuberische Erpressung –, wird sich das Urteil an dem Gesetz, das die schwerste Strafe vorsieht, orientieren.

Der Vorsitzende Richter der 3. Großen Strafkammer erläuterte die Vereinbarung: Sollten die Angeklagten umfassend gestehen, kann sich die Jugendstrafkammer für den Haupttäter eine Jugendstrafe zwischen vier und viereinhalb Jahren Gefängnis vorstellen. Für den heute 20-jährigen Messerträger, der bereits wegen Diebstahl und räuberischer Erpressung vor Gericht stand, kann sich die Kammer eine Freiheitsstrafe von knapp unter bis zu knapp über einem Jahr vorstellen. Die Angeklagten und ihre Verteidiger stimmten der Verständigung zu und räumten die Anklagepunkte ein.

Der Prozess soll am 30. Januar fortgesetzt werden.