Ein 31-jähriger Stuttgarter hat wohl im großen Stil die Einfuhr von Kokain und Marihuana nach Deutschland organisiert. Er wurde am Landgericht zu einer Haftstrafe von sieben Jahren und acht Monaten verurteilt.
„Ein Kilogramm Kokain gleich vier Jahre Haft, das sei der übliche Tarif“, sagte Staatsanwalt Johannes Kienle am Dienstagvormittag in seinem Plädoyer. Hätte man diesen Maßstab auch bei einem 31 Jahre alten Mann, der sich vor dem Landgericht Stuttgart wegen Drogenhandels in nicht geringen Mengen verantworten musste, angesetzt, wäre er wohl bis zu seinem Lebensende hinter Gittern gesessen. Letztlich wurde er jedoch bereits am dritten Prozesstag zu einer Haftstrafe von sieben Jahren und zehn Monaten verurteilt.
Angeklagter legt umfassendes Geständnis ab
Ein Grund: Die 22 Einzelstraftaten, die sich laut Gericht in einem engen zeitlichen Rahmen ereigneten, wurden zusammengefasst. Darüber hinaus hat der Angeklagte ein umfassendes Geständnis abgelegt und somit den Prozess erheblich verkürzt. Zwischen Mai 2020 und Februar 2021 soll er im Raum Stuttgart mit 18,5 Kilogramm Kokain und rund 275 Kilogramm Marihuana gehandelt haben. „Das ist schon Champions League-Niveau“, sagte Richter Rainer Gless in der Urteilsbegründung. Gemeinsam mit einem 47-jährigen Komplizen soll er sogar mehr als die doppelte Menge an Kokain umgeschlagen haben. Der Einkaufspreis belief sich pro Kilo je nach Qualität auf 29 000 bis 35 500 Euro, verkauft wurde es wohl für bis zu 10 000 Euro mehr. Bei Marihuana war die Gewinnspanne wohl nicht ganz so hoch.
Drogen in geparkten Autos deponiert
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte, der in Bad Cannstatt aufgewachsen ist und offenbar Kontakte bis nach Kolumbien hatte, die Drogen im europäischen Ausland, meist Belgien oder Holland, eingekauft und mithilfe von Kurierfahrern nach Deutschland gebracht hat. In Stuttgart soll sich dann ein 47-jähriger Komplize um die Qualitätskontrolle und die Weiterverteilung gekümmert haben. Meist wurden dazu die Drogen in geparkten Autos deponiert und der jeweilige Standort an den nächsten Dealer weitergegeben. Diese wiederum tauschten wohl die bestellte Ware gegen das Geld ein. Nach dem vollzogenen Deal wurde der Schlüssel offenbar wieder auf einen der Reifen zurückgelegt. Beim Verkauf von größeren Marihuana-Mengen soll es aber auch Treffen auf Parkplätzen gegeben haben.
Sein „Geschäftspartner“, der am Dienstagvormittag als Zeuge in Saal 9 geladen war, ist bereits im vergangenen Frühjahr in einem gesonderten Verfahren zu acht Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden. Die Taten hatte er damals eingeräumt, zu Hintermännern und Abnehmern der Drogen äußerte er sich erneut nicht. Auch der 31-jährige Angeklagte, der keine abgeschlossene Berufsausbildung hat und sich bis zu Beginn der Corona-Krise offenbar mit Gelegenheitsjobs durchschlug, schwieg in diesem Punkt.
Auf die Spur der beiden Männer sind offenbar französische Ermittler gekommen. Ihnen soll es gelungen sein, im Rahmen der Operation „Vanilla“ den als abhörsicher geltenden Server Sky ECC zu hacken und die darüber versendeten Nachrichten – teils in Echtzeit – mitzulesen. Obwohl sowohl der Angeklagte als auch sein „Geschäftspartner“ anonyme Benutzernamen wie Saturn oder Hannibal nutzten, konnten sie über die geschriebenen Inhalte offenbar eindeutig identifiziert werden. Dementsprechend sind die Geständnisse keine Überraschung.
Staat fordert 1,7 Millionen Euro als Wertersatz
Schon früh im Verfahren zeichnete sich eine Verständigung ab: Die Staatsanwaltschaft hatte acht Jahre Haft gefordert, Verteidiger Hans Bense siebeneinhalb. In seinem Schlusswort kritisierte der Anwalt jedoch den Vorschlag der Anklage, die Einziehung eines Wertersatzes in Höhe von 1,723 680 Euro anzuordnen. Offenbar geht er davon aus, dass sein Mandant durch den Drogenhandel nicht annähernd solch einen Ertrag erwirtschaftet und auch keine entsprechenden Rücklagen gebildet hat. Das Gericht folgte der Forderung jedoch. „Wie soll das ein Mensch mit legaler Arbeit abbezahlen? Wenn er straffrei leben will, wird er es nie schaffen“, sagte Bense. Eben das strebt der 31-Jährige aber an, wie er in seinem Schlusswort betonte. „Wie alles gelaufen ist, ist nicht gut.“ Zugleich bat er den Richter, um eine Verlegung in die Justizvollzugsanstalt Freiburg. „Meines Wissens nach kann ich nur dort in Baden-Württemberg das Abitur machen.“