Ein Mann, der sich in U-Haft befindet, geht in die Revision. Das Gericht hat noch viele Fragen zu klären.

Sindelfingen - Mit gesenktem Kopf sitzt der 40 Jahre alte Mann auf der Anklagebank und versucht, den Ausführungen am Stuttgarter Landgericht zu folgen. Dessen erste Schwurgerichtskammer hat ihn im Juni des vorigen Jahres wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Auf den Revisionsantrag des Angeklagten hin hat der Bundesgerichtshof das Urteil Ende des Jahres teilweise wieder aufgehoben und verlangt eine erneute Beweisführung über die Tat an einem Novembertag des Jahres 2015 in Sindelfingen.

 

Der 40-jährige Türke war seit März 2015 bei einem Kraftfahrzeugmeister in Holzgerlingen beschäftigt gewesen, jedoch einige Tage unentschuldigt nicht zur Arbeit erschienen. Der 42-Jährige Landsmann suchte seinen Mitarbeiter deshalb in dessen Sindelfinger Wohnung auf. Dabei kam es zu einem Streit. Ein Anlass war laut dem Gericht, dass der 40-Jährige seinen Firmenchef gebeten hatte, ihm zur Begleichung von Arztkosten finanziell unter die Arme zu greifen. Eine Rückfrage bei dem Mediziner habe jedoch ergeben, dass der 40-Jährige in diesem Fall gar keine ärztliche Hilfe in Anspruch genommen hatte. Zudem hatte sein Firmenchef die Wohnung an den 40-Jährigen untervermietet und die Miete in Höhe von 350 Euro samt Nebenkosten für ihn bezahlt. Der 40-Jährige verdiente in der Werkstatt 700 Euro netto monatlich.

Die Auseinandersetzung in der Wohnung eskalierte. In Wut geraten, habe der Chef dem Mitarbeiter zwei Fausthiebe ins Gesicht verpasst. Der 40-Jährige habe seine frisierte Schreckschusspistole geholt und seinen Chef sowie einen Bekannten, der in der Wohnung ebenfalls nach dem 40-Jährigen hatte sehen wollen, bedroht.

Der Firmenchef und der Bekannte flüchteten aus der Wohnung, und der Bekannte hielt zunächst die Wohnungstür zu. Unvermittelt durchschlug der Schuss die Tür, die Kugel prallte im Hausflur auf den Boden und traf den 42-Jährigen, der dadurch eine Prellung davontrug.

Kugel prallte im Hausflur auf den Boden

Der Angeklagte erklärte bei seiner Vernehmung, dass er seit der Trennung von seiner Ehefrau, mit der er zwei Kinder hat, unter Depressionen leide. Außerdem ist der 40-Jährige an Diabetes erkrankt. „Er kam immer wieder schläfrig und mit verquollenen Augen zu spät zur Arbeit“, berichtete der Firmenchef als Zeuge dem Vorsitzenden Richter Jörg Geiger.

Jetzt soll der Gesundheitszustand des Mannes überprüft werden. Zudem gilt es zu klären, was nach dem Schuss aus der manipulierten Schreckschusspistole mit Kartuschenmunition passierte. Viele Fragen sind noch offen.