Ein 34-Jähriger wird wegen Drogenhandels verurteilt. Die Kronzeugin ist wankelmütig.

Leonberg - Ein bisschen ist der Mann auf der    Anklagebank des Leonberger Schöffengerichts Opfer eines Schwesternstreits geworden. Er hatte zusammen mit einer 24-Jährigen bei einer Abfallentsorgungsfirma gearbeitet. Sie trafen sich auch auf Partys, dabei verkaufte der Angeklagte der Kollegin kleinere Mengen Marihuana. Nach dem Ende ihrer Ausbildung wechselte die Frau und zog nach Löchgau, um sich einen neuen Freundeskreis aufzubauen.

 

Umso mehr ärgerte sie sich jedoch darüber, dass der Angeklagte eine Beziehung mit ihrer Schwester hatte. Einerseits störte sie der Altersunterschied, zum anderen entwickelte sich die Beziehung zu ihrer Schwester hin zu belanglosem Smalltalk. Nachdem sie mit der Schwester in einen handfesten Streit geraten war, zeigte sie den 34-Jährigen wegen Drogenhandels an. Als die Polizei im April 2018 die Wohnung des Angeklagten durchsuchte, fand sie knapp 4,2 Gramm Kokain, 115 Gramm Amphetamin und 1,1 Gramm Marihuana sowie klassische Dealer-Werkzeuge wie Klemmtütchen und eine Feinwaage.

„Ich habe mich mit den Drogen geschädigt“

Vor Gericht räumte der 34-jährige Leonberger ein, seit seinem 16. Lebensjahr Marihuana, später auch Amphetamin und Kokain genommen zu haben. Er habe jedoch stets nur kleinere Mengen für den Eigenbedarf gekauft und ab und zu etwas an Freunde abgegeben. „Ich habe einmal 20 Gramm Amphetamin erworben und mit Milchzucker gestreckt, um mit dem Verkauf meine eigene Sucht zu finanzieren“, erklärte er. Eine Liste mit Namen und Zahlen, die die Polizei bei ihm gefunden hat, sei keine Kundenliste, sondern eine Liste von Dartspielen mit Kumpels.

Der Leonberger beteuerte, seit einem Jahr clean zu sein. Dazu hat ihn auch die Wohnungsdurchsuchung gebracht. „Ich habe mich mit den Drogen geschädigt, es geht um meine Existenz“, erklärte er. Zudem sei seine Mutter im vergangenen Jahr gestorben. „Es war nicht leicht aufzuhören, aber jetzt geht es mir besser.“

Ein Polizist bestätigte im Zeugenstand, dass die Durchsuchung auf Grund der Aussage der 24-Jährigen erfolgt sei. Sie habe verhindern wollen, dass ihrer Schwester auch Drogen angedreht würden. Die Funde hätten ihre Aussage bestätigt. Die Zeugin habe darüber hinaus noch angegeben, dass der Angeklagte jeweils am Monatsanfang Drogen für 500 Euro einkaufe und diese in Bars in Leonberg verkaufe. Er bestätigte, dass die gefundenen 115 Gramm Amphetamin gestreckt seien und vom Wirkstoffgehalt her rund 20 Gramm reinem Amphetamin entsprechen könnten.

Zeugin kann sich kaum noch zurückerinnern

Als die 24-jährige frühere Arbeitskollegin als Zeugin aussagen sollte, wirkte der Angeklagte sichtbar nervös: Immer wieder zupften seine Hände an den Taschen seines Sakkos. Sein Anwalt bat darum, auf ihre Vernehmung zu verzichten, da das Verhältnis zwischen beiden sehr schlecht sei. Doch die Vorsitzende Richterin Sandra De Falco und die Staatsanwältin hielten ihre Aussage für unverzichtbar.

Die 24-Jährige räumte ein, aus Angst um ihre Schwester zur Polizei gegangen zu sein. Ansonsten konnte sie sich an ihre Aussage, die sie im Dezember 2017 gemacht hatte, aber kaum noch erinnern. Dass der Angeklagte am Anfang jeden Monats Drogen kaufe und damit in Bars handle, habe sie wahrscheinlich von ihm gehört. Sie könne nicht ausschließen, dass er damit habe angeben wollen. Für sie sei die Angelegenheit mit ihrer Aussage bei der Polizei abgeschlossen gewesen.

Drogenberatung und Urinkontrollen

Die Staatsanwältin forderte eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und eine Geldbuße von 1500 Euro für den Leonberger, die Anklage habe sich bestätigt. Die Dealer-Utensilien wiesen darauf hin, dass der Angeklagte mit den Drogen Handel in nicht geringer Menge getrieben habe. Für ihn spreche jedoch sein Geständnis, seine Schuldeinsicht und die Tatsache, dass er keine Vorstrafen habe.

„Ich war zeitweise wohl in einer anderen Verhandlung“, hielt ihr der Verteidiger entgegen. Der Angeklagte habe eingeräumt, Drogen nur zum Eigenkonsum gekauft zu haben bis auf die gestreckten 115 Gramm Amphetamin, mit denen er seine Sucht finanziert habe. Die weiter gehenden Vorwürfe hätten sich als haltlos erwiesen, die ehemalige Arbeitskollegin habe „vom Leder gezogen“, weil sie wütend auf den Freund ihrer Schwester gewesen sei. Er hielt eine Bewährungsstrafe von maximal sechs Monaten für angemessen.

Das Gericht verurteilte den Mann wegen Drogenbesitzes und -handels zu einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe und einer Geldbuße von 1800 Euro. Er muss nachweisen, dass er es mit dem Ende seines Drogenkonsums ernst meint: Sechs Gespräche soll er mit der Drogenberatung führen, und im November und Dezember zwei Urinkontrollen abgeben.