Im Wahnzustand hat ein 52-Jähriger Feuer gelegt – doch damit nicht genug. Die anrückenden Einsatzkräfte bewarf er mit Steinen. Wie es zu den Vorfällen jenes Abends kommen konnte:

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Murrhardt - Wahrscheinlich ist niemandem die Sache unangenehmer als dem Angeklagten selbst. Das ist ihm beim Prozessauftakt vor dem Landgericht Stuttgart deutlich anzumerken: „Ich habe mich gebärdet wie ein tollwütiger Orang-Utan“, sagt er über den Vorfall vom 16. August 2019. „Es tut mir wahnsinnig Leid, dass ich andere Menschen geängstigt und gefährdet habe.“

 

Was war geschehen? An jenem Abend hatte der heute 52-Jährige in seinem Zimmer in einer Wohngruppe in Murrhardt Feuer gelegt, indem er einen Müllsack auf die Fensterbank stellte und ihn in Brand setzte. Die Flammen breiteten sich rasch aus, erfassten die Wand und den Fensterrahmen. Insgesamt entstand ein Schaden von rund 70 000 Euro.

Studium, Arbeit, Familie – dann Burnout, Psychiatrie, Obdachlosigkeit

Doch damit nicht genug: Er stieg auf ein Vordach, entblößte sich, rief wirre Parolen und begann, Kieselsteine auf die anrückenden Feuerwehrleute zu werfen. Einer der Wehrleute wurde wohl nur vor Verletzungen geschützt, weil er im letzten Moment sein Helmvisier herunterklappen konnte. Weil das Haus, in dem der Mann Feuer gelegt hatte, von acht Personen bewohnt wird, wirft die Staatsanwaltschaft dem 52-Jährigen nun unter anderem schwere Brandstiftung vor.

An der Schuldunfähigkeit des Mannes besteht kaum ein Zweifel. Der Fall ist daher weniger ein Krimi als ein Beispiel dafür, welche Auswirkungen eine psychische Krankheit auf das Leben eines Menschen haben kann. Der 52-Jährige erzählt, er sei mit einer manisch-depressiven Mutter genetisch vorbelastet gewesen. Doch jahrelang führte er ein erfolgreiches Leben: Abitur, Ausbildung, Studium, Arbeit im Finanzwesen, Hochzeit, Kinder. „Ich hatte etwa 40 Jahre lang gar nichts“, erzählt der Mann. Doch vor etwa 15 Jahren begann eine Abwärtsspirale mit Burnout, Trennung, Psychiatrieaufenthalten, sogar Obdachlosigkeit und einem Suizidversuch.

Lange Zeit kam der Mann in der Wohngemeinschaft in Murrhardt gut zurecht

Nachdem er im Jahr 2008 im Wahn einen Tankwart attackiert hatte, wurde er schon einmal von einem Gericht untergebracht. Nach seiner Entlassung zog er in die Wohngruppe nach Murrhardt, wo er lange Zeit gut zurecht kam. Doch in der Zeit vor dem Brand habe er seine Medikamente nicht mehr richtig genommen, zudem habe es einige Querelen gegeben, die ihn belastet hätten. Als vertretungsweise ein neuer Betreuer dazugekommen sei, von dem er sich gekränkt fühlte, sei das Fass übergelaufen. Nun blüht dem Mann vermutlich eine erneute Unterbringung – wo, ist noch unklar.