In New York beginnt der Prozess gegen dem Mexikaner. Werden ihm seine Kontakte zur Unterwelt auch diesmal helfen?

New York - Die Brooklyn Bridge ist eine der Hauptverkehrsadern New Yorks. Mehr als 120 000 Autos fahren täglich über die Brücke, die Brooklyn – den bevölkerungsreichsten Stadtteil der City – mit dem Geschäftszentrum in Manhattan verbindet. Umso ungehaltener waren die New Yorker, als Ende September zur Hauptverkehrszeit die Brücke komplett dichtgemacht wurde. Grund für die Sperrung war der Hochsicherheitstransport des gefürchteten Drogenkartell-Bosses El Chapo („der Kleine“) vom Gefängnis im südlichen Manhattan zum Gericht des Eastern District von New York. Es war nur eine Anhörung, zu der der 61-jährige Mexikaner mit dem bürgerlichen Namen Joaquín Guzmán nach Brooklyn musste. Doch wenn an diesem Montag seine Verhandlung beginnt, müssen die New Yorker mit täglichem Verkehrschaos rechnen.

 

El Chapo hat beste Kontakte zur Unterwelt

New York erwartet einen der längsten und spektakulärsten Prozesse der vergangenen Jahrzehnte. Die Sicherheitsmaßnahmen übertreffen selbst Terrorverfahren. El Chapo hat beste Kontakte zur Unterwelt. Vor der Auslieferung an die USA schaffte er es schon zwei Mal, aus mexikanischen Hochsicherheitstrakten auszubrechen. Die Anklage will versuchen, nicht nur seinen Aufstieg zum wichtigsten und größten Drogenboss der Welt zu erklären, sondern dem Gericht auch eine Lehrstunde über die Verflechtungen des internationalen Drogenhandels zu erteilen.

Für die USA steht viel auf den Spiel. Seit in den 1970er Jahren Präsident Richard Nixon der „Drogenseuche“ den Krieg erklärte, hat das Land nach Schätzungen der Forschungsgruppe Drug Policy Alliance mehr als eine Billion Dollar (880 Milliarden Euro) für den Kampf gegen Drogen ausgegeben. Donald Trump gelobte, diesen Kampf auszuweiten. Bisher hat dieser allerdings weder den Drogenkonsum noch die damit verbundene Kriminalität zurückgedrängt. Kritiker sehen als Folgen der Masseninhaftierung und der Militarisierung der Polizei einen massiven gesellschaftlichen Schaden angerichtet.

Die Strukturen des Sinaloa-Kartells sind weiterhin intakt

Mit der mutmaßlich bevorstehenden Verurteilung von El Chapo kann die US-Antidrogenpolitik nun zumindest einen sichtbaren Triumph verbuchen. Am Drogenproblem selbst wird sie freilich nichts ändern. Die Importe sind seit El Chapos Verhaftung nicht zurückgegangen, die Strukturen des Sinaloa-Kartells sind weiterhin intakt. Zudem hat sich das amerikanische Drogenproblem von Kokain aus Südamerika auf synthetische Opiate aus der Pharmaindustrie verlagert.

Dennoch wird die Anklage wohl beim Prozess hervorheben, welche verheerenden Folgen das Drogenproblem für Städte wie New York, Miami und Chicago hat und hatte. Und die Absicht der US-Regierung, El Chapo zum Sündenbock für alle soziale Schwierigkeiten zu machen, ist eindeutig.

Die Identitäten der Geschworenen werden geheim gehalten

Daran, dass der gefürchtete Kriminelle zu lebenslanger Haft verurteilt werden wird, besteht indes kaum ein Zweifel. Die Staatsanwaltschaft wird Tausende von Seiten an Dokumenten vorbringen, in denen ihm Mord oder Beteiligung am Mord in vermutlich Hunderten von Fällen nachgewiesen wird. Als Zeugen werden ehemalige Komplizen und Handlanger aufgerufen, die sich zur Kooperation mit der Regierung bereit erklärt haben – darunter die „Flores- Brüder“, die Chapos Vertrieb in Chicago organisierten, sowie Vicente Zambada Niebla, der Sohn von Chapos rechter Hand, Ismael Zambada Garcia.

Die Argumente der Verteidigung, Chapo sei gar nicht der Kopf der Sinaloa-Organisation gewesen, klingen dagegen schwach. Hinzu kommt, dass die Verteidigung unter erschwerten Bedingungen arbeiten muss. Die Anwälte können nur in begrenztem Maß mit ihrem Klienten kommunizieren, dessen geistiger Zustand nach Monaten der Isolationshaft auch zunehmend zu degenerieren scheint. Doch trotz des vergleichsweise sicheren Ausgangs wird der Prozess New York in Atem halten. Bislang werden die Identitäten der Geschworenen und Zeugen aus Sicherheitsgründen geheim gehalten. Und es ist nicht auszuschließen, dass Guzmán auch in Haft Mittel und Wege gefunden hat, um sein Verfahren positiv zu beeinflussen.