In der aufgeheizten Stimmung rund um den Vergewaltigungsprozess gegen Filmmogul Harvey Weinstein behält seine Verteidigerin Donna Rotunno einen kühlen Kopf. Mit ihrer Härte macht sie sich Feindinnen.

New York - Die 44-jährige Verteidigerin des wegen Vergewaltigung und sexueller Übergriffe angeklagten US-Filmproduzenten Harvey Weinstein (67), argumentiert sachlich und kühl. Donna Rotunno hat in diversen Interviews ihre Position klar gemacht: „Man mag das Verhalten von Harvey Weinstein nicht mögen. Aber schlechtes Benehmen und Vergewaltigung sind zwei komplett unterschiedliche Dinge.“

 

In der vergangenen Woche hat in New York City der Strafprozess gegen Weinstein begonnen. Verhandelt werden zwei Fälle von Vergewaltigung aus den Jahren 2006 und 2013. Darüber hinaus wird Weinstein in mehr als 80 Fällen beschuldigt, sexuell übergriffig geworden zu sein. Die sind allerdings nicht Gegenstand des Prozesses. Rotunnos Haltung dazu: „Nur weil jemand etwas behauptet, macht es das noch nicht wahr.“

Donna Rotunno hält die Frauen für selbst verantwortlich

Die Anwältin mit dem „stählernen Blick“, wie Rotunno in Medien beschrieben wird, erbost vor allem weibliche Prozessbeobachter. Wie kann man als Frau einen Übeltäter wie Weinstein verteidigen? Darauf hat die aus Chicago stammende Juristin, die in den vergangenen 15 Jahren in rund 40 Fällen Männer verteidigt hat, die wegen sexueller Übergriffe beschuldigt waren, eine klare Antwort: „Jeder verdient eine Verteidigung. Ich denke, dass wir etwas für Harvey Weinstein bewirken können. Der einzige Grund, einen solchen Fall nicht anzunehmen, ist das ganze Drumherum. Es ist nicht der Fall, es ist der Gegenwind.“

Dem will Rotunno offenbar trotzen. Deutlich äußerte sie sich auch zur #me-too-Debatte, die der Fall Weinstein vor mehr als zwei Jahren ausgelöst hat. „Ich bin keine Frau, die sich jemals dazu bekannt hat“, sagte die 44-Jährige in einem Interview mit dem „Wall-Street-Journal“. „Ich bin überzeugt davon, dass Frauen für ihre Entscheidungen verantwortlich sind.“

Rotunno verweist auf „verschwimmende Grenzen“ und „Grauzonen“

Damit streut sie Salz in die Wunden der zahlreichen #metoo-Aktivistinnen, die dafür einstehen, dass „Nein“ auch wirklich „Nein“ heißt. Auch ein fehlendes „Ja“ bringt in dieser Logik den Mann in Bedrängnis – gerade im Reich des sexuellen Machtgefälles wie in Hollywoods Filmbranche. Rotunno hingegen spricht von „verschwimmenden Grenzen“ und „Grauzonen“ zwischen Männern und Frauen auf sexueller Ebene. Eine Erinnerung könne Jahre später fehlerhaft sein. „Wenn man nicht sexuell belästigt werden will, dann geht man eben nicht alleine mit jemandem auf ein Hotelzimmer“, sagt Weinsteins Anwältin. Sie spricht im selben Zusammenhang von „verschwimmenden Grenzen“ und „Grauzonen“.

Der Anwalt Stanley Stallworth beschrieb seine frühere Kollegin einmal als „Bulldogge im Gerichtssaal“. Sie sei extrem gut vorbereitet und eine aggressive Verteidigerin, die jeden Tag juristische Glanzleistungen abliefere. Sie selbst sagt über sich, dass sie die Zeuginnen mit mehr Härte ins Kreuzverhör nehmen könne, eben weil sie eine Frau sei: „Ich komme mit viel mehr davon als ein männlicher Verteidiger.“ Dieser könne ein noch so guter Jurist sein, aber sobald er die Zeugin mit derselben Härte behandle, werde ihm das sofort als Schikane ausgelegt, während bei ihr niemand mit der Wimper zucken würde.

Die Verteidigung wollte den Prozess hinaus zögern

Beim Prozessauftakt lieferten sich die stellvertretende Staatsanwältin von Manhattan, Joan Illuzzi-Orbon, und Rotunno bereits ein scharfes Wortgefecht. Illuzzi-Orbon beschuldigte Rotunno, über die Zeuginnen der Anklage „erniedrigende Aussagen“ gemacht zu haben. „Diesen Zeuginnen ist bereits genug Schaden zugefügt worden“, sagte Illuzzi-Orbon. In einem Interview mit CNN hatte Rotunno etwa über Annabella Sciorra gesagt, dass diese „eine exzellente Zeugin abgeben wird, weil sie eine Schauspielerin ist“.

Sciorra behauptet, dass sie vor rund 26 Jahren von Weinstein vergewaltigt worden sei. Dieser Vorfall ist zwar inzwischen verjährt, und die Schauspielerin kann daher nicht selbst gegen ihren vermeintlichen Peiniger klagen, als Zeugin ist sie jedoch geladen. Rotunnos Aussage sei unter der Gürtellinie gewesen, sagte später auch die Rechtsanwältin Gloria Allred. Sie vertritt im Weinstein-Prozess sowohl Sciorra als auch die ehemalige Produktionsassistentin Mimi Haleyi, eine der beiden Klägerinnen. Sie wirft Weinstein vor, sie 2006 in seinem Apartment in Soho zum Oralverkehr gezwungen zu haben.

Der Fall Weinstein und die #me-too-Debatte

Der Fall Weinstein hat 2017 die #me-too-Bewegung ausgelöst, innerhalb der sich Frauen wehren, zu Sexobjekten degradiert zu werden. 2018 gab es 19 Millionen Tweets mit dem weltweit bekannten Hashtag. Die Geschichte der Vorwürfe gegen Weinstein begann aber lange vorher. Seine mutmaßlichen sexuellen Übergriffe sollen in Hollywood ein offenes Geheimnis gewesen sein.

Bereits 1998 soll die Schauspielerin Gwyneth Paltrow (47) über Weinstein gesagt haben: „Er wird dich zu ein oder zwei Sachen zwingen.“ Auch die Sängerin Courtney Love (55) soll 2005 auf die Frage, was sie jungen Schauspielern in Hollywood rate, geantwortet haben: „Wenn Harvey Weinstein dich zu einer privaten Party ins ‚Four Seasons’ einlädt, geh nicht hin.“ Die „New York Times“ und der „New Yorker“ berichteten schließlich 2017 trotz massiver Klagedrohungen über die Vorwürfe und brachten den Fall ins Rollen.

Den später mit dem Pulitzerpreis ausgezeichneten Artikeln folgte eine Welle neuer Enthüllungen. Dutzende Frauen, darunter bekannte Schauspielerinnen wie Angelina Jolie (44) oder Salma Hayek (53), beschuldigten den Filmproduzenten. Weinstein gab Fehler zu, bestritt aber kriminelle Handlungen. Die sich häufenden Vorwürfe ergeben ein Muster: Der mächtige Mann soll seine Stellung ausgenutzt und jungen Frauen Jobs oder die große Karriere versprochen haben, um sie gefügig zu machen.