Im Black-Jackets-Prozess gibt ein Polizei-Experte Einblick in das Innenleben der Gruppierung. Die Angeklagten sollen Schutzgeld erpresst und mit Kokain gedealt haben.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Wenn Michael Mörsel die Black Jackets beschreibt, verwendet er Begriffe wie Hierarchie und Gehorsam. Der Kriminalhauptkommissar spricht von Führungsoffizieren und Kadern. Von Druck und Repressalien. Die Frage, wie gut die Gruppe im Kreis Ludwigsburg tatsächlich organisiert war, wird im Verlauf des Prozesses eine wichtige Rolle spielen. Auf der Anklagebank des Stuttgarter Landgerichts sitzen sechs teils hochrangige Mitglieder, darunter der sogenannte President und sein Vize. Die Anklage lautet: Drogenhandel, Betrug, Erpressung.

 

Der Anführer der Gruppe streitet alle Vorwürfe ab

Der President, 28 Jahre alt, streitet nahezu alle Vorwürfe ab. Die Black Jackets seien ein Freundschaftsclub, und er könne nicht für mögliche Fehler einzelner Mitglieder verantwortlich gemacht werden. Für Michael Mörsel, der die Ermittlungen leitete, sind die Black Jackets eine kriminelle Bande, bei der die Führungsriege an allen Entscheidungen beteiligt sei. Am Donnerstag hat der Rocker-Experte als Zeuge vor der 4. Großen Jugendkammer des Stuttgarter Landgerichts einen Einblick in das Innenleben der Gruppierung gegeben. Gestützt auf Telefonüberwachungen, Observationen und Zeugen.

Im Jahr 2009, erklärt Mörsel, hätten die Black Jackets die Ludwigsburger Ortsgruppe, das Chapter, installiert. Als der Hauptangeklagte die Führung übernommen habe, sei dieses Chapter verstärkt in der Öffentlichkeit aufgefallen. Mehrfach hätten teure Mietkarossen mitten auf dem Marktplatz oder in der Fußgängerzone geparkt, und bei den zwangsläufig folgenden Kontrollen seien die Black Jackets „verbal sehr aggressiv aufgetreten.“ Im Mai 2011 spazierten mehr als 60 Mitglieder, gekleidet in ihre schwarzen Kutten, durch die Innenstadt. „Das sollte wohl eine Machtdemonstration sein“, vermutet Mörsel. Ebenfalls im Mai habe er den President angesprochen, weil es zu dieser Zeit Spannungen zwischen den Black Jackets und einer anderen Rockergruppe in Ludwigsburg gegeben habe. „Ich habe beide Seiten ermahnt, sich an die Regeln zu halten“, sagt Mörsel, der sich seit zwölf Jahren mit der Rocker-Szene beschäftigt.

Die Anklage lautet: Drogenhandel, Erpressung, Betrug

Wenig später wurde das erste hochrangige Mitglied des Ludwigsburger Chapters verhaftet und zu zwei Jahren und acht Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Der Mann hatte versucht, in Kornwestheim Schutzgeld zu erpressen. Die Kripo begann, Handys anderer Mitglieder abzuhören. „Dabei haben wir dann eine viel größere Bandbreite an Straftaten festgestellt“, sagt Mörsel.

Unter anderem sollen die Angeklagten sieben Kilogramm Kokain gekauft haben, um es in der Region Stuttgart an dem Mann zu bringen. Sie sollen Aussteiger und Leute aus dem Umfeld der Gruppierung massiv unter Druck gesetzt und erpresst haben. Und sie sollen in großem Stil Spielautomaten in Discotheken, Gaststätten und Casinos manipuliert haben, um illegal an Spielgewinne zu gelangen. „Nebenkriegsschauplätze wie illegale Hundekämpfe haben wir erst einmal rausgelassen“, sagt Mörsel. Er habe im Verlauf der Ermittlungen Zeugen vernommen, die „stammelnd und mit Tränen in den Augen erklärten, sie könnten nicht die Wahrheit sagen – aus Angst vor Repressalien“. Neumitglieder hätten oft gar keine Ahnung gehabt, auf was sie sich einlassen.

Die Verteidiger kritisieren die polizeilichen Ermittlungen

Im November nahm die Polizei bei einer Großrazzia im Kreis Ludwigsburg 17 Personen fest. Vier davon wurden kürzlich wegen Drogenhandels verurteilt. Für den Prozess vor der 4. Großen Jugendkammer sind bis August acht weitere Verhandlungstage angesetzt, die indes kaum ausreichen werden.

Der Verteidiger des Hauptangeklagten hat bereits deutlich gemacht, was er von Mörsels Aussagen hält: nichts. Die polizeilichen Ermittlungen seien oberflächlich geführt worden, kritisiert der Rechtsanwalt. Die Anklage bestehe aus lauter Vermutungen, ohne dass es dafür konkrete Beweise gebe. Aus den abgehörten Telefonaten lasse sich eben nicht ableiten, dass über kriminelle Geschäfte gesprochen wurde. Und schon gar nicht, dass sein Mandant den Befehl zu solchen Geschäften gegeben habe.