Vom Dienst abgewiesen: Ein Polizeianwärter klagt auf seine Einstellung. Er soll falsche Angaben über seine Medikation gemacht haben.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Er habe einen Fragebogen nicht verstanden, argumentiert der 31-jährige Kläger. Der Mann sei charakterlich nicht geeignet, in den Polizeidienst einzutreten, so sieht es der Personalchef. Mit der Frage, ob ein Anwärter in den Staatsdienst übernommen werden kann, weil er bei einer Untersuchung ein Medikament nicht angegeben hatte, das den Blutdruck senkt, beschäftigt sich nun das Stuttgarter Verwaltungsgericht. Der Mann hatte geklagt, weil er nicht übernommen worden war, obwohl seine Ausbilder ihn als Klassenbesten und Traumkandidaten für den Polizeiberuf lobten.

 

Der Mann hatte am Ende seiner Ausbildung auf die Frage, ob er Medikamente oder Drogen nehme, „Nein“ angekreuzt. Davor habe er mit der Ärztin Rücksprache gehalten, ob er die wegen einer akuten Erkältung und gegen seine Schlafstörungen aufgrund von Prüfungsangst verschriebenen Medikamente angeben müsse. Sie soll das verneint haben. Bei der Untersuchung fand das Labor dann aber ein blutdrucksenkendes Mittel – das gegen die Nervosität vor den Prüfungen. Nicht weil er das genommen hatte oder weil er nicht gesund gewesen sei, lehnte der Personalchef den Anwärter ab. Sondern weil durch die – aus seiner Sicht – unehrliche Antwort eine Charakterschwäche des 31-jährigen zu Tage getreten sei. Die Anwältin reichte ein Attest des Hausarztes ein, der bestätigte, dass er die Medikamente für den Polizeischüler vorgeschlagen hatte. Der Personalchef hatte unterstellt, der Anwärter habe zum blutdrucksenkenden Mittel gegriffen, um eine höhere Leistungsfähigkeit vorzutäuschen.

Der Anwärter hat durch sein Schweigen einen Fehler gemacht

Am zweiten Prozesstag gab es einen Vergleich mit einem anderen Fall, den die Anwältin des jungen Mannes in ihrem Schlusswort vortrug. Sie erzählte von der Parallelklasse, die eine Klausur habe nachholen müssen, nachdem ein kollektiver Täuschungsversuch aufgeflogen war. Ein Schüler habe die Klausur mit einem USB-Stick vom Computer des Lehrers gezogen und an alle Klassenkameraden weitergegeben. Durch ein unglaublich und damit unglaubwürdig gutes Ergebnis mit einem Notendurchschnitt von 1,4 sei die Klasse aufgeflogen und habe die Klausur ein zweites Mal schreiben müssen. Übernommen wurden die Anwärter trotz dieses Täuschungsversuchs alle – bis auf denjenigen, der die Klausur geklaut hatte. „Das ist doch ein schlimmeres Verhalten. Bei meinem Mandanten kann man höchstens von einem Augenblicksversagen sprechen, weil er die Frage nicht verstand“, so die Anwältin Simone Eberle.

Der Personalchef nannte das einen Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Auch wenn der Schüler mit seinem USB-Stick heimlich Daten aus dem Rechner des Lehrers gezogen habe, sei das kein verwerfliches Verhalten, „wenn Schüler etwas verwenden, was der Lehrer fahrlässig überlässt“. Den strafrechtlichen Vorwurf des Betrugs lasse er deswegen gegen die Klausurausspäher nicht gelten. Für ihn hat der Anwärter aufgrund seines Verschweigens der Medikamente einen Fehler gemacht, der Rückschlüsse auf seinen Charakter zulasse.

Ärztin hält an Schweigepflicht fest

Am zweiten Prozesstag war die Ärztin geladen, die im November 2011 die Untersuchung vorgenommen hatte. Sie konnte jedoch nichts zur Aufklärung beitragen, da der Kläger sie nicht von ihrer Schweigepflicht entband. „Was soll ich dann noch sagen, es fällt doch alles unter die ärztliche Schweigepflicht?“ sagte die Amtsärztin.

Der Personalchef wollte eine Aussage der Medizinerin und sagte, sie sei von der Schweigepflicht ausgenommen. „Ein Amtsarzt arbeitet ja schließlich rein im Interesse des Dienstherrn.“ Dieser Ansicht trat die Anwältin vehement entgegen: „Wenn dem so wäre, warum gäbe es dann ein Formular, in dem man ankreuzen kann, wie es mit der Schweigepflicht zu handhaben ist?“ „Man kann es so und so sehen“, stellte die Richterin fest. Sie sah davon ab, die Ärztin zu befragen. Die Richterin will das Urteil voraussichtlich in gut einer Woche mitteilen.