Das Amtsgericht muss sich in einem Prozess um ein illegales Autorennen oberhalb von Beutelsbach auf Indizien stützen. Der Angeklagte schweigt, sein Rechtsanwalt fordert einen Freispruch.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Schorndorf - Die Situation sei nicht nur ärgerlich und nervenaufreibend, sie berge auch massive Gefahr für Leib und Leben, sagt ein Anwohner aus Beutelsbach . In regelmäßiger Häufigkeit rasten an seinem Grundstück am Ortsausgang Auto- und Motorradfahrer vorbei, um die Rechts-Links-Kombination an der Abzweigung in Richtung Aichwald mit quietschenden Reifen zum Auftakt von illegalen Rennen zu machen, die weiter oben auf dem Schurwald ihre Fortsetzung fänden. Um sich beim Heckenschneiden zu schützen, habe er deshalb schon Pylonen aufgestellt, die dann freilich platt gefahren wurden. Einmal sei ihm bei der Kehrwoche buchstäblich der Besen aus der Hand gerast worden. Nachts würden die Anwohner vom Lärm der vielfach getunten Motoren geplagt.

 

Mit Vollgas um die Kurve

Das sei auch in jener Nacht auf den 19. Januar diesen Jahres der Fall gewesen, sagte er jetzt als Zeuge vor dem Schorndorfer Amtsgericht aus. Vier Fahrzeuge seien derart mit Vollgas um die Kurven gesaust, dass nicht nur die Reifen gequietscht, sondern auch die Drehzahlbegrenzer die Motoren in höchster Umdrehung kurzzeitig zum Stottern gebracht hätten. Dann habe man bis unten ins Tal deutlich den weiteren Rennverlauf nachverfolgen können. Weil an Schlaf nicht mehr zu denken gewesen sei, habe er sich vor dem Haus auf die Lauer gelegt – und etwa eine dreiviertel Stunde später die Rückkehr verfolgen, aber keine Kennzeichen erkennen können. Als sich das Szenario in der nächsten Nacht wiederholte, habe er die Polizei alarmiert – in der Hoffnung, dass diese die Fahrer auf der Rückfahrt würden erwischen können.

Obwohl die Ordnungshüter mit mehreren Fahrzeugen ausrückten, gelang das zwar letztlich nicht. Eine der Streifen konnte aber eines der Fahrzeuge identifizieren. Als den Polizisten auf einem weit einsichtigen Straßenstück die Lichter von vier Autos entgegen kamen, stellten sie ihr Fahrzeug quer, einer der Beamten sprang aus dem Wagen. Das jedoch stoppte einen vorweg fahrenden BMW nicht. Der Wagen schlingerte auf der Gegenspur an Polizist und Polizeiauto vorbei. Dabei konnte der Beamte das Kennzeichen des Wagens erkennen und im Fahrzeug schemenhaft eine männliche Person im Alter zwischen 20 und 25 Jahren wahrnehmen.

Die Verfolgung des Wagens brachte keinen Erfolg. Auch an dem Wohnort des Halters, einem 24-Jährigen Kfz-Mechaniker, traf die Polizei in der Nacht nur den Vater an. Von Sohn und BMW fehlte jede Spur. Bei seiner Vernehmung zwei Tage später verweigerte der junge Mann die Aussage.

Das hielt er auch weitgehend in der Verhandlung am Donnerstag vor dem Schorndorfer Amtsgericht so. Dort war der Fall aufgelaufen, weil der 24-Jährige Einspruch gegen einen Strafbefehl einlegte, der ihm eine Geldbuße von 50 Tagessätzen à 70 Euro sowie ein elfmonatiges Fahrverbot eingebracht hatte. Sein Rechtsanwalt vertrat den Standpunkt, dass weder bewiesen sei, dass ein Autorennen stattgefunden habe, noch, dass sein Mandant der Fahrer gewesen sei. Deswegen könne er lediglich in seiner Rolle als Fahrzeughalter zur Verantwortung gezogen werden.

Richterin: Große Indiziendichte

Das indes sah die Richterin Petra Freier anders. Selbstverständlich habe ein illegales Autorennen stattgefunden – und auch wenn es keinen eindeutigen Beweis dafür gebe, daran dass der 24-jährige beteiligt war, gebe es keinen Zweifel, zu groß sei dafür die Indiziendichte. In ihrem Urteil lag sie mit 60 Tagessätzen à 60 Euro noch leicht über dem Strafbefehl. Ob sich damit die Lage für den Beutelsbacher Anwohner entspannt, bleibt abzuwarten. Er hatte berichtet, dass die Raserei auch nach dem Vorfall im Januar nicht aufgehört habe.

Härtere Sanktionen für illegale Rennen

Straftat
Seit Oktober vergangenen Jahres ist das Veranstalten eines illegalen Autorennens auf öffentlichen Straßen nicht mehr nur eine Ordnungswidrigkeit, sondern eine Straftat. Wer erwischt wird, muss mit einer empfindlichen Geldbuße oder bis zu zwei Jahren Haft rechnen. Bei schweren Personenschäden drohen bis zu zehn Jahre Gefängnis. Zudem können die Fahrzeuge der Beteiligten eingezogen werden.

Anlass
Im Strafgesetzbuch ist in Paragraf 315 dafür ein eigener Tatbestand eingeführt worden. Ein Auslöser dafür war ein illegales Autorennen zweier junger Männer auf dem Berliner Kurfürstendamm in dessen Verlauf im Februar 2016 ein unbeteiligter Autofahrer starb.