Prozess gegen René Benko Von Pomp und Prunk zur Pleite

Adrett gekleidet, aber von neun Monaten U-Haft gezeichnet, betritt der insolvente Immobilienunternehmer Benko den Gerichtssaal in seiner Heimatstadt Innsbruck. Foto: Expa/Johann Groder/APA/dpa

Vor knapp zwei Jahren ist das Signa-Imperium René Benkos in sich zusammengefallen. Nun hat der Prozess gegen Österreichs früheren „Wunderwuzzi“ begonnen.

Um 9.02 Uhr kommt er in den größten Verhandlungssaal des Innsbrucker Landesgerichts rein, von einer Menschentraube umringt. René Benko ist korrekt gekleidet in Anzug und mit roter Krawatte, das schwarze Haar gegelt, Undercut-Schnitt. Schmaler ist er geworden in neun Monaten Untersuchungshaft, er sieht nicht gut aus. Fünf ziemlich martialisch aussehende Männer von der Justizwache umringen ihn.

 

René Benko, Österreichs Mega-Immobilienunternehmer und Österreichs Maxi-Pleitier, steht vor Gericht. Die Vorsitzende Richterin Andrea Wegscheider nimmt knapp die Personalien ab: 48 Jahre alt, derzeit kein Einkommen, vier Kinder. Keine Angaben zu Vermögen oder Schulden. Und auch sonst nichts, er verweist knapp auf seinen Verteidiger.

Sehr viele und sehr große Bauprojekte in den Abgrund gerissen

Erstmals seit dem Konkurs seines Signa-Imperiums Anfang 2024, der sehr viele und sehr große Bauprojekte in den Abgrund gerissen hat, muss er sich vor der Öffentlichkeit verantworten. Das Interesse ist groß, mehr als 70 Journalisten sind angemeldet. Ihm wird „betrügerische Krida“ vorgeworfen, in Deutschland ist das ein Insolvenzvergehen – jemand schafft Geld zur Seite, obwohl er weiß, dass er Pleite gehen wird.

Bei der jetzt angeklagten Summe von insgesamt 660 000 Euro steht eine Haftstraße von bis zu zehn Jahren in Aussicht. In Benko’schen Dimensionen ist das allerdings erst einmal ein Mini-Schaden. Die Strategie der Wiener Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ist klar, und das verhehlt ein Sprecher gar nicht im Gespräch mit unserer Zeitung: Benko soll regulär hinter Gitter und nicht länger in U-Haft bleiben, die immer wieder verlängert werden muss. Derweil wird weiter um den großen Brocken ermittelt, über die Täuschung von Investoren etwa. Weitere Prozesse sollen folgen.

Jetzt geht es aber erst zum einen um 360 000 Euro, die er verwendet haben soll für Miet- und Nebenkostenzahlungen seiner Villa auf dem Innsbrucker Hungerberg. Das Anwesen gehört rechtlich gar nicht ihm, sondern einer seiner Familienstiftungen, die er gegründet hat. Und bei denen er de facto der Chef ist. Benko ist also sein eigener Vermieter.

Im Prozess geht es zunächst um 660 000 Euro

Er habe „Gelder beiseitegeschafft“, ist sich die Staatsanwältin bei ihrem Vortrag sicher, das „zur Befriedigung der Gläubiger“ hätte verwendet müssen. Benko soll gewusst haben, dass ihm die Pleite bevorstand, er sei eigentlich „mehr als knapp bei Kasse“ gewesen. Laut WKStA wollte er mit dem Geld vielmehr „trotz des Konkurses den luxuriösen Lebensstil von sich und seiner Familie sichern“.

Der zweite Anklagepunkt: 300 000 Euro soll er einer Familienstiftung zugeschanzt haben – auch um nach einer Pleite flüssig zu bleiben. Seine Mutter Ingeborg ist als Chefin der Stiftungen eingesetzt, als Strohfrau, wie vermutet wird.

Benkos Verschiebungen von Geldern, seine komplizierten Konstruktionen nennt die Staatsanwältin „Verschleierungen“. Doch man solle sich „nicht von künstlich geschaffener Komplexität verwirren lassen“. Ein völlig gegensätzliches Bild zeichnet der Verteidiger Norbert Wess von seinem Mandanten. Die Anklage liege „völlig daneben“, meint er, der sich heroisch als Benkos „vielleicht letzten Mitstreiter“ bezeichnet.

Größter Pleitier der österreichischen Nachkriegsgeschichte

Wess sieht ihn als Macher, als Kämpfer, als eine Art Visionär, der unermüdlich an seinen Immobilienprojekten arbeitete. Mit 17 Jahren hatte er angefangen, alte Innsbrucker Dachböden in Luxus-Penthouses umzubauen. Doch im Herbst 2023 „war das Marktumfeld eine Katastrophe“, so der Anwalt. Die Coronakrise lag in den letzten Zügen, Baustoffe und Energie wurden immens teuer, die Immobilienpreise bröckelten. Alles sehr schlecht für Benko und Signa.

Dieser aber, so Wess, „hat um sein Lebenswerk gekämpft, rund um die Uhr“. Er habe den „Turnaround“ erreichen wollen. Hatte mit Investoren und Geld hin und her jongliert. Norbert Wess scheint Mitleid mit Benko zu haben: „Aber der Kampfgeist hat nichts gebracht.“

Mit seinen gewaltigen und hochfliegenden Signa-Projekten ist René Benko zum größten Pleitier der österreichischen Nachkriegsgeschichte geworden. Laut Berichten wurden 27 Milliarden Euro versenkt, von denen seine Geldgeber in den laufenden Insolvenzverfahren nur wenig zurückbekommen dürften. Das ist zuerst einmal nicht strafbar. Unternehmen dürfen scheitern, wenn sie sich an die Gesetze halten. Doch laut WKStA hat sich Benko an viele Gesetze nicht gehalten und damit einen strafrechtlich relevanten Schaden von 300 Millionen Euro verursacht.

Sein angeberischer Reichtum wurde nach der Insolvenz ausgestellt

Dem Phänomen Benko kann man sich über zwei Zugänge nähern. Der eine ist der persönliche. Es ist die Geschichte vom unglaublichen Auf- und noch unglaublicheren Abstieg. Er stammt aus einfachen Verhältnissen, wurde zum „Wunderwuzzi“ und reichsten Mann der Alpenrepublik. Sein angeberischer Reichtum wurde nach der Insolvenz regelrecht ausgestellt. Das Büroinventar in Wien wurde versteigert. Seine Villa in Sirmione am Gardasee wurde sogar samt allen Gegenständen darin der Öffentlichkeit gezeigt. Auktionsinteressenten konnten sich vor Ort alles anschauen – große Lampen, alte Sessel, das Inventar der Küche. Alles musste raus.

Benko schaffte sich zwei Villen in Innsbruck an, jene am Lago di Garda, ein Chalet im Nobelskiort Lech am Arlberg, eine Penthouse-Wohnung in Wien, Hubschrauber und Jacht. Er gilt als prunksüchtig, und per Ferndiagnose sehen manche darin gar eine psychische Erkrankung. Nun jagen die Insolvenzverwalter nach jedem Cent. Und die Frau Nathalie ist ihm auch noch mit den Kindern davongelaufen. Berichten zufolge hat sie die Scheidung eingereicht. Der andere Zugang ist der systemische. Was hat dies alles begünstigt? Wie konnte es nur dazu kommen?

In seinem Arbeitszimmer an der Uni Innsbruck hat sich der Wirtschaftsprofessor Leonhard Dobusch schon einige Gedanken darüber gemacht. Er sagt, das Benko-Modell sei „nicht nachhaltig“. Es hatte ja verschiedene Vorläufer gegeben wie etwa den Frankfurter Immobilienentwickler Jürgen Schneider, der eine Milliardenpleite hinlegte und in Haft musste. Mit niedrigen Zinsen, boomender Nachfrage und steigenden Preisen sind auf diese Weise Milliarden zu holen. Dreht sich der Wind, droht der Sturz.

„Ich bin einem Ganoven ersten Ranges auf den Leim gegangen“

Und Benko hat sehr reiche Menschen – dazu auch Banken und Versicherungen – um den Finger gewickelt. Leonhard Dobusch bezeichnet solche Leute als „Geldadel“. „Das alte Geld verachtet Aufsteiger wie Benko zwar“, sagt er, „die Renditen von acht oder mehr Prozent nahm man aber gerne.“ Verzückt bei der Aussicht auf mehr und mehr waren Milliardäre, die nicht so in der Öffentlichkeit stehen. Etwa Hans-Peter Haselsteiner, ehemaliger Chef des Baukonzerns Strabag und Benko-Investor. Oder Klaus-Michael Kühne, aus Hamburg stammender Logistik-Unternehmer, der jetzt meinte: „Ich bin einem Ganoven ersten Ranges auf den Leim gegangen.“ Der von ihm selbst bezifferte Verlust: eine halbe Milliarde Euro.

In Innsbruck sagt Richterin Wegscheider zu Benko, dass ein Geständnis strafmildernd wäre. Doch dieser meint: „unschuldig.“ Und bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt für ihn die Unschuldsvermutung. Am Mittwoch werden Zeugenaussagen erwartet, schon am Abend könnte ein Urteil fallen.

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