Darf das Rote Kreuz zum Boykott von privaten Schulen für Retter aufrufen? Während der DRK-Landesverband in Stuttgart in dem Rechtsstreit eingelenkt hat, zeigt sich der südbadische Dachverband weiter unnachgiebig.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Darf das Deutsche Rote Kreuz (DRK) seine Kreisverbände dazu anhalten, angehende Notfallsanitäter nur noch an der eigenen Landesschule ausbilden zu lassen? Knapp zwei Jahre nach entsprechenden Aufrufen der Landesverbände Baden-Württemberg und (Süd-)Baden beschäftigt dieser Streit immer noch die Justiz. Obwohl der ungleich größere Stuttgarter Spitzenverband in der Auseinandersetzung mit einer privaten Fachschule inzwischen eingelenkt hat, wehrt sich die Freiburger Dachorganisation nach wie vor vor Gericht. Im Februar wird sich das Landgericht Mannheim mit dem Konflikt befassen – und ihn womöglich entscheiden.

 

Auslöser der Prozesse waren gleich gerichtete Beschlüsse der beiden DRK-Verbände von Anfang 2018. Damit wurden die Kreisverbände und ihre gemeinnützigen Rettungsdienstgesellschaften angewiesen, zur Ausbildung von Notfallsanitätern nur noch die Rotkreuz-Landesschule mit Hauptsitz in Pfalzgrafenweiler (Kreis Freudenstadt) zu nutzen. Deren Kapazitäten hatte das DRK in den vergangenen Jahren massiv ausgebaut, auch an neuen Standorten. Hintergrund war eine Reform der Ausbildung, die statt zwei nun drei Jahre dauert. Es sei „nur folgerichtig, sich der eigenen Einrichtung zu bedienen“, hieß es zur Begründung.

Richter sehen verbotenen Boykottaufruf

Für die staatlich anerkannte Privatfachschule Mobile Medic mit Sitz in Denkendorf (Kreis Esslingen) hätte dies über kurz oder lang das Aus bedeutet. In zwei Eilverfahren wehrte sich das „Institut für Notfallmedizin“ gegen den Bann – und obsiegte vor den Landgerichten in Stuttgart und Mannheim. Die Richter bescheinigten dem Roten Kreuz einen „unzulässigen Boykottaufruf“ und damit einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Bei neuen Verstößen drohten Ordnungsgelder von einer halben beziehungsweise Viertelmillion Euro oder ersatzweise Ordnungshaft für die Präsidenten, damals Lorenz Menz (Stuttgart) und Jochen Glaeser (Freiburg).

Die DRK-Spitze ruderte daraufhin zurück: der Beschluss dürfe „derzeit nicht praktiziert“ werden, schrieb sie an die Kreisverbände. Diese seien „nach wie vor frei“, wohin sie ihre Auszubildenden schickten. Der Vorwurf, das Rote Kreuz missbrauche seine Marktmacht und strebe ein Monopol an, wurde zurückgewiesen. Die Landesschule sei gemeinnützig, man verfolge keine wirtschaftlichen Interessen. Auch Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) zeigte sich damals befremdet über das Verdikt gegen private Schulen: Angesichts der vom DRK beklagten Engpässe bei den Kapazitäten müssten alle Ausbildungsmöglichkeiten im Land genutzt werden.

Der DRK-Landesverband lenkt ein

Die Einstweiligen Verfügungen galten jedoch nur für eine Frist von einigen Monaten. Um zu einer dauerhaften Lösung zu kommen, musste die private Retterschule neue Verfahren in Stuttgart und Mannheim anstrengen. Der DRK-Landesverband Baden-Württemberg, inzwischen von der Reutlinger Ex-Oberbürgermeisterin Barbara Bosch geführt, gab bereits im April 2019 vor dem Landgericht Stuttgart nach. Wie erst jetzt bekannt wird, verpflichtete er sich, die Kreisverbände nicht mehr alleine an die eigene Landesschule zu verweisen; für jeden Verstoß würde eine Vertragsstrafe fällig. Per Vergleich einigten sich die Parteien, dass das DRK drei Viertel und Mobile Medic ein Viertel der Kosten zu tragen hätten. Der Rechtsstreit sei beendet, bestätigte ein Verbandssprecher, man habe die Kreisverbände über das Ergebnis informiert.

Unnachgiebig zeigt sich hingegen das Badische Rote Kreuz in Freiburg. Vor dem Landgericht Mannheim wehrt er sich gegen eine Erklärung, wie sie die Stuttgarter Kollegen abgegeben haben. Man befinde sich derzeit im Hauptsacheverfahren und könne daher keine Stellungnahme abgeben, sagte eine Sprecherin; mit einem Abschluss rechne man Mitte oder Ende Februar.

Unverständnis für Kurs der Südbadener

Für den Geschäftsführer von Mobile Medic, Marc Schmidt, ist das Verhalten der Freiburger unverständlich. „Ich kann mir nicht erklären, warum der badische Verband nach zwei Einstweiligen Verfügungen sowie dem Vergleich in Württemberg sich diesem nicht anschließt“, sagte er unserer Zeitung. Im Übrigen gebe es keinerlei Grund, die private Schule zu boykottieren: „Wir gewährleisten die geforderten Standards mindestens genauso gut wie das DRK und unterliegen genauso der Überwachung durch die Aufsichtsbehörde.“