Im Dopingbetrugsprozess gegen den Radprofi Stefan Schumacher belastet dessen früherer Manager Heinz Betz den ehemaligen Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer schwer. Der Herrenberger bestreitet die Vorwürfe vehement.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Es ist der Sommer 2003, als der Radprofi Stefan Schumacher nach seinem „Arschtritt durch das Team Telekom“ vorwiegend im Freibad in Nürtingen nachdenkt. Nach seinen ersten beiden Profijahren hatte ihm Walter Godefroot, der Teamchef des Bonner Eliterennstalls mit Stars wie Jan Ullrich und Erik Zabel, einen Folgevertrag verweigert. „Jetzt will ich es aber richtig wissen“, denkt sich Schumacher – und greift erstmals zur Dopingspritze mit Wachstumshormonen und kommt in der Saison 2004 wenigstens beim drittklassigen Lamonta-Team unter.

 

Gestern lag Stefan Schumacher nicht im Freibad, er saß auf der Anklagebank des Stuttgarter Landgerichts. 151 460 Euro an Gehalt soll der 31-Jährige zu Unrecht von seinem einstigen Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer bekommen haben, weil er im Juli und August 2008 bei der Tour de France und bei Olympia in Peking mit dem Dopingmittel Cera im Blut gefahren war. Dies hatten Tests im Oktober 2008 ergeben. Doch der geständige Doper Schumacher sagt, er könne gar nicht betrogen haben, weil in dem System Profiradsport jeder, also auch Holczer, von den Dopingpraktiken gewusst habe.

Schumachers Ex-Manager wird deutlich

Stefan Schumacher, so viel wurde vor der Großen Strafkammer unter dem Vorsitz des Richters Martin Friedrich auch am sechsten Verhandlungstag deutlich, ist in den Jahren 2003 bis 2008 als radelnde Apotheke im Peloton unterwegs gewesen. Der Sohn einer Ärztin, der 2008 bei der Tour auch im Maillot Jaune fuhr, präsentierte ein erstaunliches pharmazeutisches und medizinisches Fachwissen: Hämatokritwert, Retikulozyten, Designer-Epo, anabole Effekte, australische Blutformel, Schmerzmittel und Infusionen – all dies ist in seinem Vokabular fest verwurzelt.

War aber auch der Teamchef Holczer ein Fachmann auf dem Dopingfeld? Die Schumacher-Seite jedenfalls versucht weiter, die Glaubwürdigkeit des Herrenbergers zu erschüttern. So soll sich Holczer etwa gegenüber Schumacher und dessen damaligem Manager Heinz Betz bei Vertragsabschluss 2005 gebrüstet haben: „Bei uns ist die medizinische Versorgung genauso gut wie beim Team Telekom.“ Dopingpraktiken inklusive? „Lass dich nicht erwischen“, soll Holczer dem Profi gesagt haben. Und dann war da laut Betz („Irgendwo war es mir klar, dass ein Tour-Etappensieg nicht möglich ist, ohne nachzuhelfen“) noch der Dialog im Sommer 2006 nach der Deutschen Meisterschaft. „Schumi ist jetzt ein Weltklassefahrer. Da darf es nicht mehr passieren, dass er mit so viel Synacthen (ein Dopingmittel, Anm. d. Red.) rumfährt“, soll Holczer bei dem verdutzten Radmanager angemahnt haben.

Was bei der WM 2007 in Stuttgart lief

Um zu beschreiben, wie sein Chef getickt habe, verwies Schumacher auch auf die WM 2007 in Stuttgart. Damals hatten Holczer und eine Handvoll weiterer Pro-Tour-Chefs gerade die „Bewegung für den glaubwürdigen Radsport“ (MPCC) gegründet. Nach dem freiwilligen Ethikcode der MPCC sollten auch Fahrer, die medizinisch indiziert und somit erlaubterweise Cortison verwendeten, zwei Wochen lang nicht starten dürfen. Dies sollte ein Beitrag des Radsports im Antidopingkampf sein. „So hat Holczer nach außen hin Glaubwürdigkeit vorgegaukelt“, sagt Schumacher.

Denn das Schlupfloch soll der Herrenberger, der 2007 auch als Teamchef des Nationalteams fungierte, nicht gestopft haben: Als sich Schumacher sechs Tage vor dem WM-Straßenrennen, bei dem er Dritter wurde, über den deutschen Teamarzt Mark Schmidt, der auch bei Gerolsteiner tätig war, ein Cortison-Rezept organisierte, um zu dopen („Holczer hat mich nicht gefragt, was mir eigentlich fehlt“), sei dies kein Problem gewesen. Schließlich war die WM nicht ein vom Ethikcode betroffener Gerolsteiner-Einsatz, sondern ein Start im Nationalteam. „Hintenrum war ihm der Code moralisch nichts wert. Das war Holczers Antidopingkampf“, sagt Schumacher über den Teamchef Holczer.

Der wehrt sich: Er könne sich an die Diskussion 2007 mit dem Radprofi und dem damaligen Teamarzt erinnern und auch daran, so Holczer, „dass ich eine solche Sicht- und Vorgehensweise abgelehnt habe“. Es steht weiter Aussage gegen Aussage.