Im Prozess gegen einen Firmenchef wegen Vergewaltigung und Exhibitionismus widersprechen sich die Aussagen der Zeuginnen. Der 54-Jährige streitet alles ab.

Leonberg - Im Prozess gegen einen Firmenchef aus dem Altkreis, der sich derzeit am Leonberger Schöffengericht (Kreis Böblingen) wegen Vergewaltigung an seiner früheren Sekretärin und einer Reinigungskraft sowie Exhibitionismus verantworten muss, haben weitere ehemalige Mitarbeiterinnen ausgesagt. Die einen bestätigten die erhobenen Vorwürfe, andere wiederum zeichneten ein anderes Bild von dem angeklagten Mann.

 

Eine Zeugin erzählte, die Reinigungskraft habe sich ihr anvertraut und verraten, dass sie mehrmals mit dem angeklagten Geschäftsführer gegen ihren Willen geschlafen habe. Laut der 59-Jährigen hatte der Mann seine Angestellte erpresst und dabei die von ihm zur Verfügung gestellte Wohnung über den Geschäftsräumen als Druckmittel benutzt. Sie hatte offenbar schon früher vor, den 54-Jährigen anzuzeigen, doch weil sich ihre Kolleginnen nicht anschließen wollten, glaubte sie nicht, dass das Sinn machen würde.

Die Zeugin erzählte auch von anderen Frauen, die der 54-Jährige sexuell belästigt haben soll, allerdings kannte sie die Anschuldigungen nur vom Hörensagen.

Wer hat was gesehen?

Eine andere Ex-Mitarbeiterin – diese wollten die beiden Nebenklägerinnen beim Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten gesehen haben – stritt jeglichen sexuellen Kontakt ab. Die 41-Jährige, die insgesamt sieben Jahre in der Firma beschäftigt war, sagte zudem, sie habe nicht mitbekommen, dass der Angeklagte andere Mitarbeiterinnen belästigt habe. Sie sprach von einem ganz gewöhnlichen Verhältnis zwischen Chef und Personal. „Ich habe wegen meiner Kündigung gegen ihn geklagt, da würde ich ganz sicher sagen, wenn etwas gewesen wäre“, versicherte die Frau.

Laut einer 31-Jährigen wurde schon lange gemunkelt, dass der Chef eine Affäre mit der früheren Reinigungskraft hatte. „Sie war seine Vorarbeiterin, sie wohnte im Firmengebäude und bekam als erste einen Geschäftswagen“, erzählte sie, wollte aber genauso wenig von sexuellen Übergriffen gewusst haben. Den 54-Jährigen bezeichnete sie allerdings als „hungrigen Wolf“, der immer Ausschau nach Frauen hielt und sich bei ihnen einschmeichelte. „Die einen empfanden es vielleicht als Belästigung, für mich waren es Komplimente“, sagte sie.

Um die Glaubwürdigkeit der Sekretärin zu erhöhen, berief der Nebenklage-Anwalt auch deren enge Freundin in den Zeugenstand. Die Frau hatte sich ihr anvertraut und mit ihrer Hilfe den Mann angezeigt.

Die Rutesheimerin hatte von der Vergewaltigung und auch von den Belästigungen gewusst. So soll der angeklagte Firmenchef die Sekretärin ständig begrapscht, ihr den Rock runtergezogen und sich auch vor ihr entblößt haben.

Zwar sei ihr bekannt gewesen, dass die beiden eine Zeit lang einvernehmlichen Sex hatten. „Aber er hat sie immer unter Druck gesetzt, und sie war auf den Job angewiesen, weil sie Geldprobleme hatte“, erzählte die Zeugin.

Der früheren Sekretärin – diese wurde wie auch die Reinigungskraft unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen – machten die Erlebnisse auch in ihrem neuen Job zu schaffen. „Sie hat Schlafprobleme, kann sich nicht richtig konzentrieren und macht jetzt eine Therapie“, sagte die 58-jährige Zeugin. Selbst als die Ex-Sekretärin beim Prozessauftakt nach Ankunft am Leonberger Bahnhof zufällig eines der Firmenfahrzeuge gesehen habe, sei sie völlig aufgelöst gewesen.

Prozess geht Mitte März weiter

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Firmenchef vor, seine frühere Sekretärin in eine Abstellkammer des Büros gelockt und sie dort vergewaltigt zu haben. Laut Anklage soll er auch einmal vor ihren Augen die Hose heruntergelassen und mit erigiertem Penis auf die Toilette marschiert sein.

Außerdem soll er eine ehemalige Reinigungskraft zum Geschlechtsverkehr in der Sauna eines Fitnesscenters gezwungen haben. Der 54-Jährige streitet die Vorwürfe ab.

Der ursprünglich auf zwei Verhandlungstage angesetzte Prozess wird Mitte März fortgesetzt. Nachdem die beiden Nebenklage-Anwälte sogenannte Adhäsionsanträge eingereicht hatten, gewährte das Gericht der Verteidigung eine zweiwöchige Frist zur Stellungnahme.

Mit dem Antrag sollen die Opfer im Falle einer Verurteilung mit einem Schmerzensgeld entschädigt werden – damit ersparen sie sich auch den Weg vor das Zivilgericht.