Nach acht Stunden Hausdurchsuchung: Das Amtsgericht verurteilt einen 41-Jährigen in einem skurrilen Fall zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe.

Leonberg - Wahrscheinlich hätte der 41-jährige Leonberger weiterhin unbehelligt mit seiner Mutter in dem Haus mitten in Leonberg leben können, wenn ihm nicht Kommissar Zufall auf die Spur gekommen wäre. Doch an einem frühen Morgen im Oktober 2017 standen Polizisten vor dem Haus des Mannes, nachdem sein Name auf der Kundenliste eines Waffenhändlers aufgetaucht war, den das Landeskriminalamt Schleswig-Holstein festgenommen hatte.

 

Die Beamten staunten nicht schlecht, als sie insgesamt zehn Schusswaffen vom Luftdruckgewehr bis zur halbautomatischen Browning sowie mehr als 10000 Schuss Munition und eine Präzisionsschleuder fanden, die allesamt einer Waffenerlaubnis bedurften. Als sie auch noch rauschgiftähnliche Substanzen fanden, verständigten sie kurzerhand die Kollegen vom Drogendezernat.

Haschkekse, Pilze, Kapseln

Nach einer insgesamt achtstündigen Durchsuchung des Hauses waren auch die Rauschgiftspezialisten ziemlich platt: Auf dem Balkon hatten sie eine kleine Plantage mit acht Cannabispflanzen von 30 bis 50 Zentimetern Höhe sowie insgesamt rund 1400 Gramm Marihuana, 2,5 Kilogramm Marihuanabutter, Haschkekse, Pilze, Amphetamin und verschiedene Kapseln gefunden. „In jeder Schublade war Rauschgift in irgendeiner Form“, erläuterte ein Polizist vor dem Amtsgericht Leonberg, wo sich der 41-Jährige wegen unerlaubten Drogenbesitzes und Verstoßes gegen das Waffengesetz verantworten musste.

Der Angeklagte räumte die Vorwürfe unumwunden ein und erzählte offen von seinem schwierigen Leben. Schon als Kind habe er eine Zeit lang eine Sprachheilschule besuchen müssen, da er gestottert habe. Ein technisches Studium habe er aufgegeben, da er einen psychotischen Schub gehabt habe und sich nicht sicher war, ob Freunde ihm nicht etwas in sein Getränk geschüttet hätten. Er habe danach als Netzwerkspezialist gearbeitet, den Job aber wegen Überlastung und Soziophobie aufgeben müssen.

Herzrasen und wenig Schlaf

„Ich habe dann mit meinen Eltern ein Haus gebaut, als eine Psychologin eine Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADS) bei mir entdeckt hat“, erzählte der Mann. Er sei zwar behandelt worden, habe aber unter massiven Nebenwirkungen wie Herzrasen und Schlafdefiziten gelitten. Aus dem Leidensdruck heraus habe er sich für Gesundheitsthemen interessiert und eine Ausbildung zum Heilpraktiker gemacht, in der mündlichen Prüfung sei er jedoch vor Aufregung gescheitert. Zwischen 2006 und 2010 habe er am Psychedelik-Forum in Basel teilgenommen und aus Interesse an Schamanismus Ausbildungen in Nepal und der Toskana gemacht.

Derzeit werde er mit Methylphenidat wegen ADS behandelt, was jedoch zu Schlafstörungen und Lust auf Alkohol führe. Er sei auf der Suche nach einem Arzt, der ihm Cannabis verschreibe, da dies seine Leiden gut gelindert habe. Es gebe jedoch nur wenige Ärzte, die das täten, diese hätten zudem lange Wartelisten. Seit der Hausdurchsuchung nehme er jedoch keine Drogen mehr, leide daher an „innerlichem Gedankenrasen“.

Die Pflanzen habe er zum Eigenkonsum angebaut, die aufgefundenen 1400 Gramm Marihuana stammten aus der letzten Ernte. Auch für die getrockneten Marihuanastängel, die zu nichts zu gebrauchen waren, hatte er eine Erklärung: „Ich habe eine Sammelleidenschaft und kann nichts wegwerfen.“ Gleiches gelte für die Waffen: Er habe die Luftdruckwaffen gekauft, da ihn anfangs die Aerodynamik eines Blasrohrs interessiert habe. Die Waffen habe er im Internet und bei Versandhändlern bestellt. In der Wohnung habe er sich einen Schießstand gebaut, um die verschiedenen Schussgeschwindigkeiten zu testen. Im Freien habe er nie geschossen.

Hat er auch gedealt?

Der Polizist des Drogendezernats erklärte, man habe in der Wohnung keine Hinweise auf Drogenhandel wie Verpackungsmaterial oder Waagen gefunden. „Es gibt auch kein finanzielles Motiv, die Familie leidet nicht an Geldnot“, führte der Beamte weiter aus. In der Wohnung habe man 8000 Euro und 40 000 Schweizer Franken in bar sowie Wertpapiere im Wert von 500 000 Euro gefunden.

Die Staatsanwältin sah in ihrem Schlussplädoyer viel Positives für den Angeklagten: Er habe ein Geständnis abgelegt, habe keinerlei Vorstrafen, zeige Einsicht in seine Sucht und habe das Marihuana auf legalem Weg erworben. Dennoch seien die aufgefunden Mengen an Rauschgift und Drogen erheblich, sodass eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten angemessen sei. Der Verteidiger des Angeklagten erklärte, sein Mandant leide darunter, dass er keinen Arzt finde, der ihm Cannabis verschreibe, um seine Leiden zu mindern. Er halte daher eine deutlich geringere Strafe für richtig.

Das Schöffengericht ging in seinem Urteil aber sogar noch über die Forderung der Staatsanwältin hinaus und verurteilte den Leonberger zur höchstmöglichen Bewährungsstrafe von zwei Jahren und einer Geldbuße von 5000 Euro an das Seehaus Leonberg. „Es kann einen ziemlich entsetzen, wenn man die Vielzahl von Waffen und Drogen mitten in der Stadt sieht“, erklärte Amtsrichterin Sandra De Falco. Insbesondere die Kombination aus beidem in einer Hand sei überaus gefährlich.