Ein Drogensüchtiger taucht plötzlich auf einer Feier auf. Was dann passiert, bleibt auch vor Gericht unklar.

Leonberg - Was genau sich auf einer Geburtstagsparty im Juli vergangenen Jahres bei der Sportgaststätte im Weil der Städter Ortsteil Hausen abgespielt hat, ließ sich trotz aller Bemühungen von Polizei und Staatsanwaltschaft nicht mehr aufklären. Laut Anklage soll ein 36-Jähriger sich gegen 3.15 Uhr am Morgen auf die Party, die ein 18-Jähriger ausgerichtet hatte, geschlichen und einen anderen Jugendlichen gefragt haben, ob er genug Spaß habe. Dann soll er eine Spritze gezogen und zweimal versucht haben, sie dem 18-Jährigen in den Ellenbogen zu stechen. Der Teenager wurde rechtzeitig von Freunden weggezogen, sodass die Anklage nur auf versuchte gefährliche Körperverletzung lautete.

 

Der Angeklagte selbst konnte sich an den Abend überhaupt nicht mehr erinnern. „Ich war wohl mit Kumpels unterwegs und hatte ziemlich viel getrunken. Ich habe aber keine Ahnung, wie ich auf die Party gekommen bin“, erklärte der Schreiner vor dem Leonberger Amtsericht. Auf Drängen seines Anwaltes nutzte er die Möglichkeit des Prozesses, um in seinem Leben reinen Tisch zu machen. „Ich habe seit mehreren Jahren ein massives Alkohol- und Drogenproblem, aber erst jetzt habe ich es erkannt“, erzählte er.

Er kiffte und trank regelmäßig

Sein Bewährungshelfer erklärte, der Angeklagte kiffe und trinke seit seinem 15. Lebensjahr. „Zehn Flaschen Bier an einem Abend waren keine Besonderheit“, sagte er. Erst nachdem der Angeklagte einige Straftaten begangen habe, sei ihm die Einsicht gekommen, dass es so nicht weitergehen könne. „Eine ambulante Alkoholentgiftung hat er bereits hinter sich, eine stationäre Therapie ist derzeit beantragt“, führte der Bewährungshelfer weiter aus.

Dem 36-Jährigen drohte eine Gefängnisstrafe, er stand unter Bewährung, als er auf der Geburtstagsparty auftauchte. Er war sich jedoch sicher, dass er keine Spritze dabei hatte. „Ich besitze so etwas nicht, ich habe auch noch nie gespritzt“, erklärte er. Auch vier Partygäste, die Richter Thomas Krüger als Zeugen vernahm, haben keine Spritze gesehen. Das 18-jährige Opfer meinte, der Gegenstand in der Hand des Angeklagten habe wie eine Spritze ausgesehen. Ein anderer sprach von einem blitzenden Gegenstand. Doch genau haben es die vier Zeugen, die den 36-Jährigen vom Partygelände wegbrachten, nicht gesehen. Die Polizei, die das Gelände später absuchte, fand auch keine Spritze.

Bewährung oder Freispruch?

Der Staatsanwalt plädierte auf eine fünfmonatige Freiheitsstrafe ohne Bewährung wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung, da sich die Aussagen der Zeugen im Kern decken würden und sich der Angeklagte die Bewährungsstrafe zuvor nicht als Warnung habe dienen lassen. Der Verteidiger plädierte auf Freispruch, da kein Zeuge eine Spritze gesehen habe und auch keine gefunden worden sei.

Richter Krüger verurteilte den 36-Jährigen zu einer fünfmonatigen Bewährungsstrafe wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung. „Es wurde zwar keine Spritze gefunden, aber die Zeugen können sich die Geschichte nicht ausgedacht haben. Dazu ist sie zu abwegig“, sagte Krüger. Als Bewährungsbrecher gebe es normalerweise keine zweite Bewährungsstrafe. „Da Sie ihr Drogenproblem erkannt haben und nun etwas dagegen unternehmen, haben Sie aber noch mal eine Chance verdient“, lautete die Begründung.