Eine Ex-Lebensgefährtin von Jérôme Boateng wirft dem Fußball-Profi vor, sie im Karibikurlaub geschlagen, gebissen und geboxt zu haben. Im Prozess fordert die Staatsanwaltschaft nun eine Bewährungsstrafe für Boateng.

München - Jérôme Boateng schaut seine frühere Lebensgefährtin aufmerksam an. Immer wieder schüttelt er den Kopf und raunt seinem Anwalt etwas zu. Das, was die 31-Jährige am Donnerstag vor dem Amtsgericht München erzählt, passt so gar nicht zu dem Bild, das die Öffentlichkeit jahrelang von dem Weltklasse-Innenverteidiger hatte, von dem Idol und Fußball-Weltmeister von 2014.

 

„Mit dem Daumen hat er mein Auge so gegriffen“, sagt die Frau vor Gericht. Dort tritt sie als Nebenklägerin auf. „Er hat an meinen Haaren gerissen, mir dann in den Kopf gebissen“. Angespuckt habe er sie - mit Blut, weil er sich vorher die Lippe aufgerissen hatte. Womöglich beim Beißen, sagt sie. Auf die Knie sei sie dann gefallen, bevor er ihr so stark „in die Niere geboxt“ habe, dass sie keine Luft mehr bekommen habe.

Der Vorfall im karibischen Urlaubsparadies der Turks- und Caicosinseln im Jahr 2018 sei nicht der erste Vorfall dieser Art gewesen, sagt die Frau. Aber der heftigste.

Boateng soll nach Angaben von Staatsanwältin Stefanie Eckert „in voller Wucht“ eine Glaslaterne und eine Kühltasche auf sie geworfen haben. Wegen Körperverletzung und Beleidigung hat die Staatsanwaltschaft München den früheren Spieler des FC Bayern München deswegen angeklagt. Eine Bewährungsstrafe von anderthalb Jahren fordert sie - und eine Zahlung von 1,5 Millionen Euro an gemeinnützige Einrichtungen.

Dass es damals im karibischen Luxusressort mit Privatpool und Bediensteten eine Eskalation gab, das räumt auch Boateng vor Gericht ein. Er erzählt aber eine ganz andere Version: Seine ehemalige Lebensgefährtin sei aggressiv und beleidigend geworden, habe ihn in einem Streit an der Lippe verletzt und auf ihn eingeschlagen. Als er sie dann von sich habe wegschieben wollen, sei sie gestürzt. Er habe auch keine Laterne auf sie geworfen, sondern ein Kissen gegen einen Tisch - und dabei sei die Laterne zu Boden gefallen. Geschlagen, so betont er, habe er seine Ex-Freundin nie.

Ein medizinischer Sachverständiger hält anhand von dokumentierten blauen Flecken bei ihr allerdings eher ihre Version für wahrscheinlich - und nicht die von Boateng.

Ob und wann das Urteil fallen sollte, war zunächst unklar

Und auch die junge Frau, die mit den beiden im Urlaub und damals mit dem mutmaßlichen Opfer befreundet war, will etwas anderes gesehen haben: Boateng habe „angefangen, auf sie einzuschlagen - mit Fäusten“. Sie sei dann losgelaufen und habe einen Freund des Fußballers geholt, damit der eingreift. Sie selbst habe Angst vor Boateng gehabt, „Angst, auch vielleicht was abzubekommen“. „Er ist einfach ein großer Mann.“

Boateng, der seit Kurzem bei Olympique Lyon unter Vertrag steht, erzählt von einem Urlaub, der bis zu jenem Abend sehr schön und friedlich verlaufen sei. „War ‚ne gute Stimmung“, sagte er - bis es abends beim Kartenspielen zu einem Streit gekommen sei, weil seine damalige Partnerin und deren Freundin ihn beschuldigten, er habe geschummelt. Kurz darauf sei die Stimmung eskaliert.

Um Treue sei es dann in dem Streit gegangen, um andere, frühere Partnerinnen und Partner. „Eifersuchtsfilm“, sagt die Lebensgefährtin irgendwann in ihrer Aussage. Ihre und auch die Aussage von Boateng strotzen vor Kraftausdrücken, die gefallen sein sollen an jenem 19. Juli im Urlaubsparadies. Zwischen Wutausbrüchen sei Boateng in seinem Bungalow hin und her gelaufen, sagt sie - „wie ein Tiger“.

Boateng sagt, sie hätten damals - wie oft zuvor - auch um die Frage gestritten, wie sie das Familienleben organisieren sollen. Er habe in dem Sommer geplant, vom FC Bayern nach Paris wechseln zu wollen.

Seit 2007 führten die beiden ihren übereinstimmenden Angaben zufolge eine „On-Off-Beziehung“, 2014 verlobten sie sich vorübergehend, seit 2015 streiten sie vor dem Familiengericht um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Kinder. „Unsere Beziehung war immer turbulent“, sagt die 31-Jährige und spricht von einer „sehr toxischen“ Verbindung. Der Fußballstar sagt, die Ex-Freundin wolle sich mit der Anzeige bessere Chancen vor dem Familiengericht beschaffen - ein Vorwurf, den die Frau zurückweist.

Zurück zu den Ereignissen im Urlaub: Am nächsten Tag hätten die beiden sich schon wieder versöhnt, sagt Boateng. „Wir hatten uns ausgesprochen, vertragen, die Kinder waren glücklich, haben getanzt.“ Seine damalige Freundin sei „bester Laune“ gewesen. Auf Videos, die vor Gericht gezeigt werden, ist zu sehen, wie sie ausgelassen an einem Lagerfeuer am Strand tanzt. Sie sagt, sie sei dabei sehr betrunken gewesen, habe sich nichts anmerken lassen wollen.

Ursprünglich hatte das Gericht nur einen Tag für den Prozess gegen Boateng angesetzt. Allerdings zog sich die Verhandlung am Donnerstag hin. Ob und wann das Urteil fallen sollte, war zunächst unklar.

Die Luxus-Pavillons, die Boateng und seine Reisegruppe bewohnten, hatten ein ganz besonderes Extra, wie der Fußballer schildert: Es gab einen Butler. Der habe in jener Nacht auch die Scherben des Windlichts und der Gläser zusammengekehrt. „Ich habe dann gesagt - auf Englisch: Sorry for the mess“, sagt Boateng: Entschuldigen Sie das Chaos.