Drei schwedische Polizisten schießen 25-mal auf einen Behinderten, weil er eine Spielzeugpistole in der Hand hält. Nun stehen zwei der Schützen und ihr Einsatzleiter vor Gericht.

Stockholm - Ein Prozess gegen drei Polizisten macht derzeit in Schweden Schlagzeilen. Zwei Beamte hatten zusammen mit einer Kollegin am 2. August 2018 im Stockholmer Stadtteil Vasastan innerhalb weniger Sekunden 25-mal auf den schwerbehinderten Eric Torell geschossen, weil er eine Spielzeugpistole in Händen hielt. Der 20-Jährige starb. Nun ist das Entsetzen groß, denn Eric Torell litt an dem Downsyndrom und Autismus. „Er konnte nur einfache Worte wie Papa oder Mama sagen“, erklärte sein Vater. „Nach Angaben der Ärzte war er wie ein Dreijähriger, er konnte gar nicht bedrohlich auftreten“, betonte seine Mutter.

 

Die Tragödie begann am frühen Morgen vor 4 Uhr. Im schwedischen Sommer ist es da schon taghell. Eric war aus der Wohnung des Vaters ausgerissen und spielte mit seiner schwarzen Plastikspielzeugpistole. Doch eine Anwohnerin alarmierte die Polizei , sie habe einen Mann mit einer „riesengroßen“ Waffe auf der Straße herumlaufen sehen. Mehrere Polizeistreifen machten sich auf den Weg.

Erics Vater bemerkte unterdessen, dass sein Sohn weg war, und machte sich auf die Suche. Vor dem tragischen Ereignis hielt er eine der Polizeistreifen an, die auf dem Weg war, um nach dem Mann mit der „riesengroßen“ Waffe zu suchen. „Ich fragte, ob sie meinen Jungen gesehen haben, der ausgerissen ist und das Downsyndrom hat.“ Doch die Polizisten hätten nur „uninteressiert“ geantwortet, dass sie niemanden gesehen hätten. Eine weitere Streife war unterdessen auf Eric gestoßen. Die Polizisten forderten ihn auf, die Waffe fallen zu lassen. Weil Eric sich stattdessen mit der Spielzeugpistole in der Hand auf die Polizistin zubewegte, eröffneten die drei Beamten sofort das Feuer.

Polizistin erklärt Schüsse mit Panik

Die nicht angeklagte Polizistin erklärte, sie sei in Panik geraten. Sie sei in eine Ecke gedrängt worden ohne Fluchtmöglichkeit. Plötzlich habe sie nur noch einen „Tunnelblick“ gehabt und ihr ganzes Magazin auf Eric leer geschossen. Dieser wurde von drei der insgesamt 25 Schüsse getroffen. Eine Kugel verletzte den jungen Mann tödlich am Rücken.

Laut Staatsanwaltschaft ist vor allem dieser Schuss nicht mit Notwehr zu erklären. Zudem sind schwedische Polizisten angehalten, nach jedem einzelnen Schuss zu prüfen, ob ein weiterer notwendig ist. „Es ging schnell, nach drei Sekunden war alles vorbei, ich hatte keine Zeit, jeden einzelnen Schuss zu analysieren“, erklärte nun einer der Angeklagten im Prozess. Zwei der drei Schützen im Alter von 31 und 36 stehen derzeit vor Gericht. Einer wegen fahrlässiger Tötung, weil er Eric in den Rücken schoss. Der andere wegen Dienstvergehen. Auch der Einsatzleiter (39) der in dem Streifenwagen saß, den Erics Vater zuvor angehalten hatte, wurde wegen Dienstvergehen angeklagt, wegen schlechter Einsatzvorbereitung und weil er die anderen Beamten nicht darüber informiert hatte, dass Erics Vater in der Nähe seinen behinderten Sohn suchte.

Nach dem tragischen Ereignis fragen sich viele, warum die Beamten nicht erkannten, dass es sich um einen Behinderten mit einer Spielzeugpistole handelte. „Es gibt doch ziemlich einfache Zeichen, um abzulesen, ob jemand behindert ist“, sagte Erics Mutter beim Prozess. Auch ein Passant hatte Eric kurz vor dem Eintreffen der Polizei getroffen. Er habe sofort erkannt, dass Eric behindert war. „Er wollte nur spielen“, sagt er der Zeitung „Aftonbladet“. Auch warum die Beamten ihm nicht in die Beine schossen, ist unklar. Bei der Bedrohung von Beamten mit Schusswaffen dürfe die Polizei laut Regelbuch tödliche Schüsse abgeben, so die Verteidigung. Der Staatsanwalt sieht das anders: „Das ist ein unfassbares Ereignis für Erics Familie. Aber es ist auch ein schwarzer Tag für die schwedische Polizei. Sie hatte das Recht nicht auf ihrer Seite, als die Schüsse abgefeuert wurden. Sie hätten nie abgefeuert werden dürfen.“

Polizisten dürfen auf Freispruch hoffen

Dem Kriminologen Leif Persson zufolge dürften die drei Polizisten dennoch freigesprochen werden. Denn einiges spricht für sie: So sollen die Beamten vor der Ankunft von der Zentrale davor gewarnt worden sein, dass in der Umgebung ein gefährlicher und bewaffneter Mann wohne. Zudem hatte selbst der Staatsanwalt eingeräumt, dass die Spielzeugwaffe echt aussah. Hinzu kommt, dass die zwei angeklagten Schützen erst seit acht Monaten beziehungsweise sieben Wochen ihre Polizeiausbildung absolviert hatten und die weibliche Kollegin retten wollten. Einer der Polizisten sagte vor Gericht: „Ich hatte riesige Angst, als er mit der Waffe auf sie zukam.“

Auch dass die Polizistin, die aufhörte zu schießen, als sich Eric wegdrehte, nicht angeklagt wurde, gilt als Zeichen dafür, dass die Angeklagten glimpflich davonkommen könnten.„Das ist alles so verdammt tragisch“, erklärte die Polizistin. „Ich dachte, er hat uns in eine Falle gelockt. Er richtete die Waffe auf mich, und dann schoss ich“, sagte sie. „Ich dachte, das ist ein Psycho, der Selbstmord durch Polizisten begehen möchte“, erklärte sie im Verhör.

Der letzte Verhandlungstag ist für diesen Montag terminiert. Wann es zum Urteilsspruch kommt, ist noch nicht bekannt. „Dabei hat Erik die Polizei doch so geliebt“, erklärte sein Vater vor Gericht.