Das gab’s noch nie: Ein Mitglied des spanischen Königshauses sitzt seit Montag auf der Anklagebank. Die Infantin Cristina, Schwester von König Felipe, ist der Steuerhinterziehung beschuldigt. StZ-Korrespondent Martin Dahms über den Prozessauftakt.

Korrespondenten: Martin Dahms (mda)

Madrid - Cristina de Borbón y Grecia sah nicht gut aus an diesem Montagmorgen. Mit angespanntem, traurigem, müdem Gesichtsausdruck saß die Königsschwester in der Reihe der Angeklagten, denen in Palma de Mallorca seit Beginn dieser Woche der Prozess gemacht wird. Ganz Spanien schaute zu. Kein anderes Korruptionsverfahren im Land hat in den vergangenen Jahren so viel Aufsehen erregt wie dieses. 18 Menschen sind beschuldigt, über ein komplexes Firmennetz öffentliche Institutionen illegal um etliche Millionen Euro erleichtert zu haben. Unter den Profiteuren war mutmaßlich die Infantin Cristina, die 50-jährige Schwester von König Felipe. Zum ersten Mal in der Geschichte der spanischen Monarchie muss sich ein Mitglied des Königshauses in einem Strafprozess verantworten.

 

Eine „Epoche der spanischen Geschichte“ stehe in Palma vor Gericht, schrieb die Tageszeitung El Mundo in ihrer Montagausgabe zum Prozessauftakt. Ganz ähnlich schätzt El País das Verfahren ein: Es sei „das Spiegelbild des Endes einer Epoche“. Die „Epoche“, von der die Zeitungen sprechen, ist die des leicht verdienten Geldes in Zeiten des spanischen Immobilienbooms, der 2008 mit einem großen Knall zu Ende ging. Damals, vor dem Knall, glaubten viele Kommunal- und Regionalverwaltungen im Geld zu schwimmen und gaben es leichter Hand aus, ohne immer allzu genau auf Recht und Gesetz zu schauen. Die Geschäfte gingen gut, die Korruption blühte. Und zu den Geschäftemachern gehörten offenbar auch Mitglieder der Königsfamilie.

Christinas Ehemann drohen bis zu 19 Jahren Haft

Vor gut vier Jahren, im November 2011, erfuhren die Spanier zum ersten Mal von diesem Fall: Ein Untersuchungsrichter in Palma de Mallorca beschuldigte den Ehemann der Infantin Cristina, den ehemaligen Handballer Iñaki Urdangarin, sich bei der Organisation öffentlich finanzierter Kongresse illegal bereichert zu haben. Für seine Geschäfte nutzte Urdangarin einen vorgeblich gemeinnützigen Verein, das Instituto Nóos, das dem Verfahren schließlich seinen Namen gab: der „Fall Nóos“. Am Ende der Ermittlungen stand die Anklage von Urdangarin und 17 weiteren Helfershelfern – unter ihnen die Königsschwester Cristina. Der vierfachen Mutter droht im Fall ihrer Verurteilung eine Strafe von acht Jahren Haft, Cristinas 47-jähriger Ehemann könnte zu einer Haftstrafe von bis zu 19 Jahren verurteilt werden. Der Prozess ist auf sechs Monate angesetzt.

„Der Fall Nóos wird als größte Bedrohung der spanischen Monarchie seit ihrer Wiedereinführung 1975 in die Geschichte eingehen“, glaubt die konservative – und sehr königstreue – Tageszeitung ABC. Die Spanier, die 1931 ihren König schon einmal in die Wüste gejagt hatten, sind keine Herzensmonarchisten. Juan Carlos, der nach dem Tod des Diktators Franco den 44 Jahre verwaisten spanischen Thron bestieg, akzeptierten sie als einen der Mitarchitekten der Demokratie. Doch ihr Vertrauen in den König war nicht bedingungslos.

König Felipe vermeidet die Fehler seines Vaters Juan Carlos

Die Verwicklung seines Schwiegersohnes und seiner Tochter in einen mutmaßlichen Korruptionsfall war ein herber Schlag für das Ansehen der Monarchie. Kurz darauf folgte ein zweiter Schlag: Im April 2012 brach sich der alte Monarch am Rande einer Elefantensafari in Botswana die Hüfte. Dass sich der König mitten in einer schweren Wirtschaftskrise dem teuren Vergnügen der Großwildjagd hingab, begleitet von einer „innigen Freundin“, der deutschen Geschäftsfrau Corinna zu Sayn-Wittgenstein, verziehen ihm seine Untertanen nicht. Im Juni 2014 verzichtete Juan Carlos auf den Thron zu Gunsten seines Sohnes Felipe.

Felipe versucht die Fehler seines Vaters zu vermeiden. Seiner Schwester Cristina und ihrem Mann nahm er im vergangenen Sommer ihren Herzogstitel ab, eine Geste voller Symbolgehalt. Das Ansehen der spanischen Monarchie hat nach Umfragen des letzten Jahres wieder zugenommen. Cristina aber ist allein gelassen. Allerdings nicht von allen: Der Staatsanwalt plädierte am Montag zum Prozessauftakt dafür, das Verfahren gegen die Infantin einzustellen, weil er keine Indizien für die ihr zur Last gelegten Steuerhinterziehung sieht. Cristina bewahrte ihr ernstes Gesicht. Am Montagabend verkündete die Vorsitzende Richterin dann, dass der Prozess gegen die Infantin bis zum 9. Februar vertagt wird.