Diebstahl-Serie von teuren Wagen: Ein 28-Jähriger wird am Landgericht Stuttgart zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. War er ein Drahtzieher oder nur ein kleines Licht?

Leonberg - Auch die Besitzer zweier BMWs in Leonberg und Rutesheim haben zu den Opfern einer litauischen Diebesbande gehört, die Luxusfahrzeuge über Tschechien und Polen nach Litauen brachte. Teil dieser Bande ist ein 28-Jähriger, der am Montag vom Landgericht Stuttgart wegen Beihilfe zu schwerem Bandendiebstahl zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt worden ist. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Mann der Bande einen Kurierfahrer vermittelt hatte, der bei fünf Diebstählen dabei gewesen ist.

 

Insgesamt gingen sieben Diebstähle von Mercedes’ und BMWs im Großraum Stuttgart und Frankfurt zwischen April und Juni 2017 auf das Konto der Bande, der Gesamtschaden betrug rund 460 000 Euro. Inzwischen sind alle Bandenmitglieder verurteilt worden, die Höchststrafe für den Kopf der Bande betrug fünfeinhalb Jahre. Zugeschlagen hatte die Bande in Bensheim, Wetzlar, Sandhausen, Leonberg und Rutesheim.

Keyless-Go-System ausgetrickst?

Sämtliche gestohlenen Fahrzeuge waren mit dem so genannten Keyless-Go-System ausgestattet. Nach Ansicht des Gerichts waren die Diebe in Zweier-Teams mit Funkabhörtechnik unterwegs und verlängerten die Signale der Autoschlüssel, die meist in der Nähe der Wohnungstür aufbewahrt wurden, mit einem Scanner zu einem zweiten Scanner in der Nähe der Autos, die sich dann problemlos öffnen ließen. In den Fahrzeugen zerstörten die Diebe anschließend die Navigationstechnik und fuhren dann in ein Waldstück nach Niederbayern, wo ein anderer Fahrer die Autos nach Tschechien oder Polen brachte. Gelandet waren die Luxusfahrzeuge, die zwischen 60 000 und 120 000 Euro wert waren, schließlich in Litauen, wo ein Hintermann Strukturen aufgebaut hatte, über die die Autos abgesetzt wurden. Beim Diebstahl des Autos aus Rutesheim konnten die Täter in Bayern festgenommen werden.

Der 28-Jährige war im November vergangenen Jahres mit einem internationalen Haftbefehl in Norwegen festgenommen worden, wo er auf einer Baustelle arbeitete. Seit Ende Februar saß er in Stammheim in Untersuchungshaft. Strafmildernd bewerteten es die Richter, dass der Angeklagte ein umfassendes Geständnis abgelegt hatte, in Deutschland nicht vorbestraft war und nur einen geringen Tatbeitrag geleistet hatte. „Er war das kleinste Licht in der gesamten Bande“, sagte der Vorsitzende Richter. Zudem stamme der Mann nicht aus gut situierten Verhältnissen, sondern aus einem „strafgeneigten Umfeld“.

Bundesweites Phänomen

Der Richter Rainer Gless erklärte aber darüber hinaus, dass sich die Kammer gründlich überlegt habe, ob sie noch eine Bewährungsstrafe verhängen könne. „Ein Polizeibeamter hat uns im Zeugenstand erzählt, dass Autodiebstähle von osteuropäischen Banden ein bundesweites Phänomen sind und permanent zunehmen. Wir haben uns deshalb überlegt, ob wir nicht das Signal senden müssen, wer sich daran beteiligt, bekommt keine Bewährungsstrafe“, führte der Richter weiter aus. Die Kammer sei dann aber zu der Überzeugung gelangt, dass man ein solches Exempel nicht am kleinsten Licht der Bande statuieren wolle, dessen Tatbeitrag nicht länger als zehn bis 15 Minuten gedauert habe.

Da das Gericht mit der 16-monatigen Bewährungsstrafe den Anträgen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung gefolgt war, die beide auf Bewährungsstrafen plädiert hatten, verzichteten beide Seiten auf Rechtsmittel, so dass das Urteil rechtskräftig wurde. Eine Botschaft gab der Richter dem Angeklagten dann aber noch mit auf den Weg: „Richten Sie in Litauen aus, dass Autodiebstähle bei uns kein Kavaliersdelikt sind und mit Gefängnis bestraft werden. Deutschland ist kein Selbstbedienungsladen“, sagte der Richter abschließend.