Der Einspruch war zwecklos: Das Amtsgericht verurteilt einen 64-Jährigen dazu, ein Ordnungsgeld zu berappen – wegen wilden Pinkelns. Nahe der Klett-Passage gebe es genügend Toiletten, macht die Richterin deutlich.

Stuttgart - Weil er angeblich keine öffentliche Toilette fand und nicht länger einhalten konnte, schlug sich ein 64-Jähriger im August am Schlossplatz in die Büsche und pinkelte dorthin. Doch die Polizei erwischte ihn. Am Dienstag verurteilte das Amtsgericht Stuttgart den Frührentner zur Zahlung einer Geldbuße von 35 Euro. Zudem muss er jetzt auch noch für die Prozesskosten aufkommen.

 

Seine Not sei groß gewesen, beteuert der 64-Jährige vor Gericht. „So wenig Toiletten und so eine Misere“, fasst der Senior zusammen, was ihn umtreibt. Weil er Einspruch gegen die 35 Euro erhoben hatte, war es zum Prozess gekommen. Er schildert die Sache vor Gericht so: Am 13. August habe er sich beim Bummel mit seiner Frau an der Klett-Passage verabredet. Während er auf sie wartete, sei der Druck auf die Blase immer größer geworden. Er habe eine Blasenschwäche, die mit der Einnahme von Medikamenten zusammenhänge.

Frührentner suchte dichtes Gebüsch aus

Die öffentliche Toilette am Ausgang der Passage in Richtung Schlossgarten sei wohl defekt gewesen, erklärt er. Für die Toilette im Kaufhof sei die Zeit zu knapp gewesen. Also lief er im Park Richtung Neues Schloss und flüchtete sich hinter einen Busch zwischen Eckensee und Württembergischen Kunstverein. Zu seinem Pech kam just eine Polizeistreife vorbei. „Man hat den Urinstrahl deutlich gesehen, deshalb mussten wir ihn ansprechen“, erklärt die 29-jährige Polizeibeamtin vor Gericht. Es sei helllichter Tag gewesen, und dort kämen viele Kinder mit ihren Eltern vorbei.

Der Rentner bezweifelt, dass man ihn vom Weg aus hatte sehen können. Der Busch sei sehr dicht gewesen, betont er. Ärgerlich sei, dass ihn die Ermittler auf die vielen Toiletten in Geschäften hingewiesen haben, die er hätte nutzen können. „Das sind Kundentoiletten. Sie sind nicht öffentlich und stehen für mich im Grunde nicht zur Verfügung.“ Es tue ihm leid, aber der Druck komme bei ihm immer sehr schnell. Er verstehe nicht, warum man beim Wasen mit Urinierern so großzügig sei, während man bei ihm so hart durchgreife.

Richterin kritisert „Missbrauch“ des Schlossgartens

Richterin Monika Rudolph lässt ihm seine Erklärung nicht durchgehen. „Es gibt keinen Grund dafür, dass man den Schlossgarten so missbraucht“, sagt sie in der Urteilsbegründung. Die Toiletten der Kaufhäuser seien öffentlich zu benutzen, auch ohne Kaufzwang. Zudem gebe es im Bahnhof eine sehr große Toilettenanlage. Wenn er in der S-Bahn längere Zeit ohne Toiletten auskommen könne, dann wäre es ihm wohl auch hier möglich gewesen, rechtzeitig Vorsorge zu treffen.

35 Euro seien auch nicht zuviel Geld für diese Ordnungswidrigkeit. „Jeder denkt, er kann hinpinkeln, wo er will“, so Rudolph. Bei Veranstaltungen wie dem Wasen sei wildes Urinieren ebenfalls nicht akzeptabel. Dass die Polizei hier nicht immer durchgreife, hänge vielleicht auch damit zusammen, dass sie bei solchen Festen manchmal Wichtigeres zu tun habe.

Öffentliche Toiletten schlecht angenommen

Noch vor dem Urteil hatte Rudolph den 64-Jährigen darauf hingewiesen, dass es für ihn nicht gut aussieht. Sie riet ihm, den Einspruch zurückzunehmen, um wenigstens die rund 40 Euro Prozesskosten zu sparen. Doch der Frührentner beharrte auf einem förmlichen Urteil. „Ich möchte das auf keinen Fall zahlen“, sagte er. Er halte es für einen Schlag ins Gesicht. Auf die Berufung verzichtete er dann allerdings wegen der hohen zusätzlichen Kosten.

Nach Einschätzung von Gunter Schmidt, Geschäftsführer des Vereins Sicheres und Sauberes Stuttgart, ist die nähere Umgebung der Klett-Passage ein Dorado, wenn man mal müsse. „Da gibt es mehrere Örtlichkeiten. Selbst beim Polizeiposten könnte man fragen, wenn es sehr dringend ist.“ Seine Erfahrung sei jedoch, dass öffentliche Toiletten in der Innenstadt schlecht angenommen werden. Vor allem, wenn Partygänger etwas getrunken hätten, sähen viele nicht ein, die 50 Cent zu zahlen. Besonders groß sei das Problem im Hospitalviertel nahe der Theodor-Heuss-Straße.