Für das Amtsgericht Waiblingen steht fest, dass der 56-jährigen Frau am Steuer des Unfallwagens kein Fehlverhalten vorgeworfen werden kann. Der Alt-Bürgermeister starb aufgrund widriger Umstände auf der Straße beim Stadion in Schmiden.

Waiblingen - Es war ein tragischer Verkehrsunfall, bei dem Fellbachs Alt-Bürgermeister Raimund Ulrich am 4. Dezember vergangenen Jahres sein Leben lassen musste. Während die menschlichen Nachwirkungen bis heute nicht verkraftet sind, haben die strafrechtlichen Folgen jetzt vor dem Amtsgericht Waiblingen ein Ende gefunden. In einem Verfahren wegen fahrlässiger Tötung ist die verursachende Autofahrerin von Amtsrichterin Dotzauer freigesprochen worden.

 

Der Angeklagten war anzumerken, dass auch sie heute noch unter den Folgen des Unglücks leidet, das sich kurz nach 17 Uhr auf der Tournonstraße vor Schmiden ereignete. Es war ein nasskalter und nebliger Winterabend, als die 56-Jährige mit ihrer Mutter von einem Krankenhausbesuch zurückfuhr. Die Fellbacherin schildert, wie auf Höhe des Feldwegs gegenüber den Sportplätzen plötzlich ein Fußgänger aus der Dunkelheit vor ihr auftauchte. Sie war nicht schneller als mit den dort geforderten 60 Stundenkilometern unterwegs und konnte noch auf 40 Stundenkilometer runterbremsen.

Sehr emotional war die Aussage der Zeugin, die damals dort just zu dem Zeitpunkt auf ihren Mann wartete

Doch das reichte nicht, um die Kollision mit dem 81-Jährigen zu verhindern. Das Opfer wurde über die Motorhaube geschleudert und erlitt ein offenes Schädel-Hirn-Trauma. Raimund Ulrich wurde zwar sofort in ein Krankenhaus gebracht, erlag aber noch am frühen Morgen seinen Verletzungen. Knapp ein Jahr später folgte die juristische Aufarbeitung.

Sehr emotional war die Aussage der Zeugin, die damals dort just zu dem Zeitpunkt auf ihren Mann wartete. Sie habe den schwarz gekleideten Senior mit seinen Nordic-Walking-Stöcken gesehen, schilderte sie vor Gericht den Verlauf des Unfalls. Nachdem sie kurz in die andere Richtung geschaut habe, sah sie beim Blick zurück den Fußgänger über die Straße gehen, trotz des nahenden Autos. Sie habe laut geschrien „Halt, bleiben Sie stehen, bleiben Sie stehen, doch er reagierte nicht“.

Sichtlich bewegt beschreibt die Zeugin ihre Versuche, das Unglück zu verhindern. „Ich dachte, jetzt bleibt er endlich stehen, das Auto war ja noch ein Stück entfernt.“ Völlig fassungslos musste sie dann den Aufprall miterleben.

Verteidiger forderte einen Freispruch für die Autofahrerin

Nach dieser bewegenden Aussage war es die Aufgabe des Gutachters, über die Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des Unfalls zu reden. Er habe festgestellt, dass der Zusammenstoß genau im Dunkelfeld der beiden Laternen stattgefunden hat. Der Experte ließ sich über die Zeit von Wahrnehmung, Erkennung und Reaktion durch die Autofahrerin aus und hat errechnet, dass sie inklusive Bremsweg etwa 38 Meter entfernt war, als der Fußgänger in ihr Sichtfeld geriet. Trotz vieler kaum berechenbarer Faktoren wie Wolkenbildung, Augen-Adaption nach Gegenverkehr und Schlieren auf der nassen Frontscheibe kam er zu der Überzeugung, dass der Angeklagten kein Fehlverhalten nachzuweisen war.

Diese Überzeugung ließ auch der Staatsanwalt in sein Plädoyer einfließen und nahm damit Abstand vom Vorwurf in der Anklageschrift. Doch obwohl keine Fahrlässigkeit vorlag oder eine verspätete Reaktion hielt er einen geringen Vorwurf aufrecht: „Ein Autofahrer muss immer damit rechnen, dass jemand auftauchen kann.“ Deshalb forderte der Vertreter der Anklage eine Geldstrafe von 900 Euro – 30 Tagessätze à 30 Euro.

Für den Verteidiger der 56-jährigen Autofahrerin war ein Verschulden weder aufklär- noch nachweisbar, deshalb forderte er einen Freispruch. Dem schloss sich Amtsrichterin Dotzauer an: „Man kann Ihnen keinen Schuldvorwurf machen“, sagte sie.