Wegen Bankrotts und Betrugs steht der Ex-Chef einer Leiharbeitsfirma vor Gericht. Sein Verteidiger regt die Einstellung des Verfahrens an, das Gericht ist jedoch entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Fellbach/Stuttgart - Lehman Brothers – dieser Name steht bis heute fast synonym für die Wirtschaftskrise, in deren Folge die Investmentbank 2008 Insolvenz anmelden musste und damit das Desaster auf dem Finanz- und Immobilienmarkt noch befeuerte. Die Auswirkungen waren global. Unter anderem trafen sie Firmen in der Region Stuttgart, wie jene eines heute 62-Jährigen, der damals Geschäftsführer einer Leiharbeitsfirma mit Sitz in Fellbach war. Er muss sich nun wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung, Bankrotts, Vorenthaltens von Arbeitsentgelt und Betrugs vor der 16. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart verantworten.

 

Richter baut goldene Brücken

Der Staatsanwalt hat gleich zwei Anklagen im Gepäck. Denn nach der ersten Firmenpleite 2008 ging der Angeklagte daran, in Sindelfingen eine kleinere Personalberatungsfirma aufzuziehen. Hier haperte es allem Anschein nach wieder mit den Einkünften, denn über die Jahre häufte er rund 20 000 Euro an Schulden bei den Krankenkassen seiner Mitarbeiter an. Diese stellten Insolvenzanträge, als sie nach mehrfachen Mahnungen kein Geld sahen. „Mittlerweile ist alles beglichen“, beteuert der glücklose Geschäftsmann gegenüber dem Gericht. Das sieht der Vorsitzende Richter als positiv für den Angeklagten. Ein Geständnis würde sich ebenfalls gut machen, meint er. „Je eher im Prozess, desto besser.“

Zwar meint der Verteidiger, sein Mandant sei doch geständig. Tatsächlich sagt der 62-Jährige auch zu jedem der Anklagepunkte etwas, doch wirklich zugeben will er nicht, was ihm vorgeworfen wird. Dabei versucht der Vorsitzende Richter ein ums andere Mal, ihm goldene Brücken zu bauen. „Es ist ein Unterschied, ob jemand Geld nimmt, um es für sich persönlich zu behalten oder ob er damit seine Firma retten will“, sagt er angesichts des Vorwurfs, der Angeklagte habe Firmen, die ihm Abbuchungsgenehmigungen erteilt hatten, Scheinrechnungen gestellt und das Geld über die nichts ahnende Fellbacher Bank einziehen lassen.

Der Angeklagte beharrt jedoch darauf, es habe sich um Rechnungen für Dienstleistungen gehandelt. Außerdem seien die Beträge mittlerweile komplett zurückgezahlt. „In einem Fall ist Ihr Konto gepfändet worden. Da hatte der Kunde bereits ein Urteil gegen Sie erwirkt“, erwidert der Richter, der sich in den Akten des Falles bestens auskennt. So weiß er auch, dass die betroffenen Kunden ausgesagt hatten, sie hätten bereits lange Zeit nichts mehr mit dem Angeklagten zu tun gehabt.

Die besagten 15 Abbuchungen, die in zwei Monaten erfolgten und insgesamt rund 48 000 Euro umfassten, passen zudem zu Zahlungen angemahnter Krankenkassenbeiträge, die im selben Zeitraum erfolgten. Auch diese Kassen hatten wie im Fall der Sindelfinger Firma, Insolvenzanträge gestellt. Als das Geld kam, zogen sie die Anträge wieder zurück.

Keine Einstellung des Verfahrens

Vergeblich weist der Verteidiger auf das Alter des Anklagen hin. „Der letzte Fall liegt sieben Jahre zurück“, sagt der Rechtsanwalt und schlägt vor, das Ganze doch einzustellen. „Es wird sicher noch einiges von den Vorwürfen zusammenschnurren“, ist er sich sicher. Das Gericht sieht das jedoch anders. Von Einstellungen könne zu diesem Stand des Prozesses noch keine Rede sein. „Erst sehen wir uns alles genau an, erst dann wird sich zeigen, was man weglassen kann“, sagt der Vorsitzende Richter, der nochmals erläutert, wie positiv sich Geständnisse auf das Strafmaß auswirken können. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.