Der ehemalige Chef einer Gebäudereinigung hat 600 000 Euro Sozialabgaben hinterzogen.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Backnang - Ein 34-jähriger Ex-Unternehmer aus Backnang muss sich zurzeit wegen Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen vor dem Stuttgarter Landgerichtverantworten. Er hat am Mittwoch gestanden, von 2007 bis 2012 rund 600 000 Euro an Sozialleistungen, die er für seine Mitarbeiter einer Gebäudereinigungsfirma hätte bezahlen sollen, behalten zu haben. Eine frühere Mitarbeiterin, die sich als geringfügig Beschäftigte Überstunden in bar hatte auszahlen lassen, kam mit einem blauen Auge davon. Das Verfahren gegen sie wurde mit der Auflage, 60 gemeinnützige Arbeitsstunden zu leisten, eingestellt.

 

Zoll durchsuchte Firma schon 2012

Wie die 59-Jährige dem Gericht schilderte, waren die vergangenen sechs Jahre äußerst problematisch für sie. „Ich kann nicht mehr richtig schlafen“, sagte sie, da ihr der Ausgang des Verfahrens ständig unter den Nägeln gebrannt habe. „Ich bin ein zuverlässiger Mensch“, betonte sie mehrmals, ein Eindruck, den wohl auch das Gericht hatte. Ihr sei es bei der Arbeit nicht ums Geld gegangen. Nachdem die Kinder aus dem Haus waren, habe sie nicht den ganzen Tag lang daheim herum sitzen sollen. Von den Taten ihres Chefs habe sie keine Ahnung gehabt – bis der der Zoll im Frühling 2012 vor der Bürotür stand.

„Reinigung nach Hausfrauenart“ versprach die Firma des 34-Jährigen, doch in der Lohnbuchhaltung war nicht alles sauber. Im Gegenteil: So wurden Mitarbeiter als geringfügig Beschäftigte geführt, die jedoch schwarz ein volles Gehalt bezogen. Oder es wurden fingierte Rechnungen von Firmen vorgelegt, die angeblich als Subunternehmer bezahlt worden waren. Von 2007 bis zum 17. April 2012 wurden auf diese Weise Krankenkassen und der Rentenversicherung ein Betrag von rund 600 000 Euro vorenthalten. Der Zoll bekam schließlich Wind von der Angelegenheit und beschloss, die Firmenräume zu durchsuchen.

Fündig wurden die Zollfahnder nicht nur in den Aktenschränken und auf Computer-Festplatten. Die 58-jährige Bürohilfe, die an jenem Tag nur zufällig anwesend war – „Ein Brief musste dringend raus“ – machte sich verdächtig, als sie mit ihrer Handtasche aus dem Haus und zu ihrem Auto ging. In dieser Tasche wurde eine Liste gefunden, die sie über ihre Überstunden geführt hatte. „Die hatte ich immer dabei. Im Büro wollte ich sie nicht lassen, da hätte ja jemand reinschauen können“, sagte sie vor Gericht. Auf keinen Fall habe sie die Liste verschwinden lassen wollen, schon gar keine Ordner mit Unterlagen, wie vom Gericht geargwöhnt worden war.

Ohne den Vorfall mit der Tasche wäre sie gar nicht vor Gericht gelandet, sagte der Vorsitzende Richter zu ihr. „Eigentlich bringt die Staatsanwaltschaft in solchen Fällen keine Angestellten vor Gericht. Normalerweise sind die Arbeitgeber die Täter.“

Eventuell Bewährungsstrafe

Für den 34-jährigen Angeklagten könnte der Prozess eventuell auch glimpflich ausgehen. Noch vor den Aussagen der beiden Angeklagten hatte der Vorsitzende Richter berichtet, dass es einen Mailverkehr zwischen Gericht und Staatsanwaltschaft und zwischen dem Ankläger und den Verteidigern gegeben habe. Danach wurde eine Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt, sollte ein Geständnis kommen. Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.