Die Frage, wer schuld ist an der Havarie einer Biogasanlage in Lenningen, ist auch nach einer Verhandlung am Amtsgericht Kirchheim unbeantwortet. Ein wegen Gewässerverunreinigung angeklagter Bauunternehmer wurde freigesprochen.

Kirchheim - Wer ist schuld daran, dass am 6. Oktober 2011 in Lenningen eine Biogasanlage havariert ist und 1,5 Millionen Liter eines Rindergülle-Mais-Silage-Gemischs ausgelaufen sind und das Trinkwasser einer Quelle verunreinigt haben? Dieser Frage ist am Donnerstag das Amtsgericht Kirchheim nachgegangen. Angeklagt war ein 61-jähriger Bauunternehmer, dem die Staatsanwaltschaft vorwarf, das Auseinanderbrechen des Behälters durch seine Nachlässigkeiten beim Bau der Anlage verursacht zu haben. Er wurde jedoch freigesprochen. Eine zweifelhafte Rolle hat aber offenbar ein Statiker gespielt, der als Zeuge geladen war.

 

Dem Angeklagten war nach Ansicht der Vorsitzenden Richterin Franziska Hermle-Buchele in der Verhandlung keine fahrlässige Gewässerverunreinigung nachzuweisen. „In diesem Verfahren stinkt’s an vielen Ecken, und das hat nicht unmittelbar mit der Havarie zu tun“, erklärte die Richterin in ihrer Urteilsbegründung. Doch ohne Tadel kam auch der Angeklagte nicht davon. „Ziemlich befremdlich“ empfinde sie dessen lockeren Umgang mit Formalien wie Baufreigaben oder Genehmigungen. Denn der Mann, der mit dem Bau der Biogasanlage von einem Landwirt beauftragt worden war, hatte beispielsweise nicht auf eine Freigabe seitens der zuständigen Behörde – den sogenannten roten Punkt – gewartet, sondern ohne diese Genehmigung schon munter drauf losgebaut. Nur einen Tag nachdem sie eintraf, war der Behälter bereits fertiggestellt. Lange sollte er jedoch nicht stehen, denn lediglich zehn Monate später brachen vier Fertigbauteile auseinander und gaben einen 250 Meter langen und 45 Meter breiten, Tal abwärts fließenden Güllestrom frei.

Der Pfusch am Bau ist nachgewiesen

Daran, dass bei dem Bau sowohl bei der Planung und der Statikberechnung als auch beim Bau gepfuscht worden war, ließ ein Gutachter im Zeugenstand keine Zweifel. Die Verbindungen zwischen den Fertigbauteilen seien „zu schwach ausgelegt“ gewesen, um dem Druck standhalten zu können. Doch selbst wenn man sich bei den Arbeiten streng an den Plan gehalten hätte, der dem Bauunternehmer vorgelegt wurde, „wäre es zu der Havarie gekommen“, so der Experte.

Genau dieser Plan ist der Knackpunkt in diesem Verfahren. Der vom Angeklagten beauftragte 62-jährige Statiker hatte seine Berechnungen für die Fertigbauteilvariante bei einem Prüfstatiker eingereicht. Der gab sie mit dem Kommentar zurück, so sei der Bau des Behälters „nicht ausführbar“. Daraufhin wurde eine weitere Prüfung für die herkömmliche Bauweise mit sogenanntem Ortbeton nachgereicht und für gut befunden. Diese wurde auch bei der Genehmigungsbehörde eingereicht. Doch dieses Gutachten habe er von dem Statiker nie erhalten, beteuerte der Angeklagte. Der habe ihm die alten Pläne zugeschickt mit dem Vermerk: „zur internen Verwendung für die Bauausführung in Fertigbauweise“. Daraufhin sei die Anlage von ihm so gebaut worden, von dem abschlägigen Prüfungsgutachten habe er nicht gewusst.

Ingenieur gerät ins Schwitzen

Darauf angesprochen, geriet der von ihm mit der Statikberechnung beauftrage Ingenieur gehörig ins Schwitzen. Er konnte vor Gericht beispielsweise nicht erklären, was es mit diesem Zusatz auf sich hat. Wer welche Unterlagen an welche Behörden geschickt habe, könne er nicht mehr nachvollziehen. Damals habe eine „neue Sekretärin“ die Dinge auf den Postweg gebracht. Merkwürdig findet die Richterin, dass er dem Angeklagten die Umplanung von der zweifelhaften Fertigbauweise zur herkömmlichen Bauart nicht in Rechnung gestellt hat, obwohl er behauptet, dieser hätte sie erhalten. Auffällig sei zudem, dass weitere Anlagen in der Fertigbauweise erstellt wurden. Deren Statik musste nachgebessert werden. Rechtlich und finanziell verantwortlich gemacht wurde stets der Bauunternehmer, der nun freigesprochen wurde. Ob die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil Berufung einlegt, ist noch unklar.