Das seit Jahren hohe Defizit des Klinikverbunds Südwest erhitzt die Gemüter. Jetzt wird das Minus gar zum Gegenstand eines Strafverfahrens wegen Verleumdung am Amtsgericht Calw.
Jahr für Jahr dasselbe Spektakel: Wenn der Geschäftsabschluss des Klinikverbunds Südwest vorgelegt wird, beginnen die Debatten und Diskussionen. Wie in vielen Krankenhäusern bundesweit steigen die Kosten auch in den sechs Kliniken des Verbunds kontinuierlich. Viele Jahre lang zeigte die Ergebnislinie nur in eine Richtung: immer tiefer ins Minus und hat sich in den letzten Jahren auf etwas über 50 Millionen Euro eingependelt – pro Jahr wohlgemerkt.
Wer trägt die Verantwortung für diese enormen Verluste, die dann die Kreise und damit die Steuerzahler der Kreise Böblingen und Calw ausgleichen müssen? Um diese Frage geht es in einem Prozess wegen übler Nachrede am Amtsgericht Calw am kommenden Dienstag. Thema dabei ist allerdings nicht das aktuelle Defizit, sondern das aus dem Jahr 2022.
Damals war Martin Loydl der Geschäftsführer des Klinikverbunds. Er habe durch seine „Misswirtschaft“ das negative Ergebnis zu verantworten, sagt Bernd Neufang, der Sprecher der Bürgerinitiative Gesundheitsversorgung Kreis Calw. Ende 2023, ein Jahr nach Loydls Ausscheiden, hatte der Steuerberater Neufang deshalb eine Anzeige gegen Loydl wegen Bankrotts, Untreue, Verletzung der Buchführungspflicht und Kreditbetruges gestellt. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hatte die Klage nach gründlicher Prüfung im Juni 2024 abgewiesen. Sie konnte kein Fehlverhalten des Geschäftsführers feststellen. Es seien „keinerlei Beweise für diese Anschuldigungen“ vorgelegt worden, heißt es in der siebenseitigen Urteilsbegründung.
Doch noch immer kursieren im Internet zahlreiche Presseberichte über die Anzeige gegen Martin Loydl und die Vorwürfe von Neufang. „Diese haben mir beruflich enorm geschadet“, sagt Loydl und spricht von einer „Rufmordkampagne“ Neufangs. Er hat deswegen wegen Verleumdung und übler Nachrede eine Privatklage gegen Bernd Neufang beim Amtsgericht Calw eingereicht.
Verhandelt wird die Privatklage von Martin Loydl am kommenden Dienstag nicht in der Zivilabteilung, sondern am Strafgericht. Ein eher ungewöhnlicher Vorgang, normalerweise erhebt die Staatsanwaltschaft Klage. „Privatklageverfahren sind selten, in der Strafprozessordnung aber vorgesehen“, erklärt die Sprecherin des Calwer Amtsgerichts auf Anfrage unserer Zeitung. Über die Zulassung der Klage als Strafverfahren entscheide dann der zuständige Richter.
Im Fall der Privatklage Loydl sieht der Richter durchaus „ein öffentliches Interesse an der Klärung der Tatvorwürfe“. So steht es in einem Schreiben des Gerichts an den Anwalt von Loydl. Deshalb gibt es nun am 11. November das Verfahren. Auch Loydls Gegner Bernd Neufang hatte sich im Juni gegenüber unserer Zeitung erfreut über die Eröffnung des Strafverfahrens gegen sich geäußert. Er ist überzeugt davon, dass seine Vorwürfe gegen Loydl stimmen und diese nun im Verfahren bestätigt werden. Dazu müsse das Gericht auch den Calwer Landrat Helmut Riegger als Aufsichtsratsvorsitzenden des Klinikverbunds anhören, hatte er im Gespräch mit unserer Zeitung gefordert.
Sein Wunsch geht in Erfüllung. Als Zeugen geladen sind für Dienstag unter anderem der Calwer Landrat sowie der aktuelle Geschäftsführer des Klinikverbunds, Alexander Schmidtke. Mit ihm hatte Martin Loydl die letzten Monate seiner Zeit beim Klinikverbund eng zusammengearbeitet und ihm die Geschäfte übergeben. Zum Klinikverbund Südwest gehören die vier Krankenhäuser im Kreis Böblingen sowie die zwei Kliniken im Kreis Calw. Im Aufsichtsrat wechseln sich die beiden Landräte Roland Bernhard (Böblingen) und Helmut Riegger (Calw) ab.
