Die Stuttgarter SPD zieht mit der Forderung nach einem Ende des juristischen Streits um das Fernwärmenetz und einer Beschleunigung der Energiewende in den Kommunalwahlkampf. Damit revidiert die Partei ihre eigene Beschlusslage. Auch beim Ausbau der Fotovoltaik sei Stuttgart im Hintertreffen.
Stuttgart - Die Ratsfraktion der SPD kritisiert, dass die Energiewende in Stuttgart nicht voran kommt: „Anspruch und Wirklichkeit klaffen meilenweit auseinander. Andere Städte sind uns da um Welten voraus“, sagt der Fraktionschef Martin Körner. Verantwortlich dafür macht die SPD vor allem die juristischen Streitereien mit dem Energiemulti EnBW um die Übernahmen der Netze. Dezidiert fordern die Genossen eine Beendigung des Verfahrens um die Übernahme des Fernwärmenetzes durch die Stadtwerke, bei dem man ohnehin kaum Aussichten auf einen Erfolg habe. Nur in Kooperation mit der EnBW sei es möglich, in Stuttgart die Wärmewende endlich einzuleiten, sagt Körner.
Die Forderung ist Teil des SPD-Wahlprogramms für die Kommunalwahl am 26. Mai. Im SPD-Programm heißt es dazu, der Dauerstreit zwischen Stadt und der EnBW, an der das Land mit knapp 47 Prozent beteiligt ist, vor den Gerichten sei ein „kapitales Versagen grüner Politik in Stadt und Land“ und müsse beendet werden. Nur Hand in Hand könne man der Klimaerwärmung entgegentreten. „Stadt, Stadtwerke und EnBW müssen an einen Tisch, um eine Strategie für die bisher überwiegend aus Kohle gewonnene Fernwärme zu erarbeiten und das Fernwärmenetz auszubauen“, meint Martin Körner. Die Stadtwerke wiederum müssten ihren Teil zur Kooperation beitragen, indem sie dezentrale Nahwärmenetze rund um größere städtische Liegenschaften aufbauen.
SPD revidiert ihre eigene Position im Streit mit der EnBW
Mit der Forderung nach einem Ende des Gerichtsverfahrens um die Fernwärme revidiert die SPD freilich ihre bisherige eigenen Position: Sie hatte sich gemeinsam mit den anderen Ratsfraktionen 2016 die Forderung eines Bürgerbegehrens zu eigen gemacht, das Fernwärmenetz wieder in städtische Hand zu überführen und dafür den juristischen Weg zu beschreiten. In dem angestrengten Verfahren hatte das Landgericht Stuttgart allerdings zuletzt signalisiert, dass es die Chancen der Stadt auf Übernahme des Leitungsnetzes als eher gering einschätzt.
Auch auf dem Sektor der Erzeugung erneuerbarer Energien – etwa via Fotovoltaik – sieht die SPD die Stadt im Vergleich mit anderen Kommunen im Hintertreffen. Untersuchungen wie etwa die sogenannte Morgenstadt-Studie des Fraunhofer-Instituts scheinen Körner Recht zu geben: Demnach liegt in der Landeshauptstadt der Anteil erneuerbarer Energien bei der Energieerzeugung lediglich bei 13 Prozent – der Durchschnitt der untersuchten Städte dagegen bei 22 Prozent. Auch in der sogenannten Solarbundesliga, einem Ranking der bei der Solarenergienutzung erfolgreichsten Kommunen in Deutschland, findet sich Stuttgart hinter vergleichbaren Großstädten wie Bremen oder Nürnberg.
Private installieren deutlich mehr Solaranlagen auf Dächern als die Stadt
Dass vor allem bei städtischen Gebäuden die Planungen von Solaranlagen hinter der Realisierung herhinken, zeigen die Zahlen der Stadtwerke: Statt 14 geplanter Anlagen für 2018 wurden nur Aufträge für vier erteilt. Nur 11 Solaranlagen hat die Stadt selbst 2018 gebaut. Umweltbürgermeister Peter Pätzold (Grüne) sieht dafür vor allem zwei Gründe: Zum einen müsse bei Bestandsgebäuden zunächst die Statik der Dächer geprüft werden, was Zeit brauche: „Und derzeit sind Monteure auf dem Markt schwer zu bekommen.“
Gleiches gelte auch für verfügbare Statiker, unterstreicht der fürs Hochbauamt zuständige Technische Bürgermeister Dirk Thürnau, ein Sozialdemokrat: „Die Prüfung der Statik ist nicht banal, sondern essenziell, um spätere Schäden zu vermeiden.“ Für das laufende Jahr prognostizieren beide Bürgermeister aber einen Schub bei der Fotovoltaik: Für 2019 läuft die Statikprüfung für 23 Dächer, weitere 25 Objekte seien in der Planung. Deutlich besser als bei der Stadt selbst läuft es nach Angaben der Stadtwerke bisher beim Privatkundengeschäft. Im vergangenen Jahr wurden 62 Dächer von Privathäusern mit Fotovoltaik-Modulen bestückt.