Die Messerstiche treffen die Milz, das Zwerchfell, den Dickdarm. Nur der Kunst von Chirurgen in einem Stuttgarter Krankenhaus hat es ein 41-Jähriger zu verdanken, dass er noch am Leben ist. Der blutige Überfall im Sommer 2024 auf offener Straße in Filderstadt (Kreis Esslingen) beschäftigt nun das Stuttgarter Landgericht. Zwei 27 und 28 Jahre alte Brüder sitzen wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung auf der Anklagebank. Der Fall zählt zu einer Reihe schwerer Gewaltdelikte auf den Fildern im letzten Jahr.
Dass das Opfer im Ortszentrum des Stadtteils Sielmingen nicht alleine ist, scheint die Angreifer nicht zu stören. Ein schwarzer Renault Clio fährt an jenem 13. Juli 2024, einem Samstagabend, in der Eberhardstraße vor – und dann schlägt ein Überfallkommando zu. Zwei Männer steigen aus, der Fahrer wartet im Wagen. Beim Auftakt des Prozesses der 19. Strafkammer unter dem Vorsitzenden Richter Norbert Winkelmann am Freitag schildert der Staatsanwalt, wie die Angreifer den Tod ihres Opfers billigend in Kauf genommen haben sollen.
Zwei wuchtige Stiche in den Oberkörper
Der 41-Jährige sei zunächst mit Faustschlägen traktiert worden, habe dann zu flüchten versucht, sei aber von den beiden Angeklagten eingeholt und erneut malträtiert worden. Einer tritt zu, der andere versetzt dem Opfer „zwei wuchtige Stiche in den Oberkörper“, so der Staatsanwalt. Treffer im linken Rippenbereich und linken Unterbauch. Erst als ein Zeuge angekündigt habe, die Polizei zu rufen, sei das Angreiferduo geflüchtet und habe sich vom Fahrer des schwarzen Autos davon chauffieren lassen.
Der 41-Jährige wird lebensgefährlich verletzt – und „durch umfangreiche chirurgische Maßnahmen“ im Krankenhaus gerettet. Was hat die Angreifer zu der rabiaten Gewalttat gebracht? Und besonders im Sommer 2024 stellte sich schnell die Frage: Wie sicher darf man sich auf den Straßen auf den Fildern denn noch fühlen?
Gut drei Wochen vorher war am nahen Rathausplatz in Sielmingen ein 27-Jähriger von zwei Jugendlichen augenscheinlich grundlos zu Boden geschlagen und getreten worden. Ebenfalls am 20. Juni waren am Bahnhof Bernhausen zwei 21-Jährige mit den Insassen eines schwarzen Audi in Streit geraten und geschlagen worden. Und Anfang Mai sorgte im Gewerbegebiet in Bonlanden eine Auseinandersetzung zweier Gruppen vor einer Disco für Aufsehen – weil einer der Beteiligten mit einer Axt zugeschlagen hatte. Zum Glück für den Geschädigten nur mit der stumpfen Seite.
Die Angeklagten wollen reden – das nächste Mal
Entsprechend mit Erleichterung wurde daher die Nachricht von der raschen Ermittlung der Tatverdächtigen im Fall des Messerangriffs in Sielmingen aufgenommen. Die Spur führte die Kripo zu zwei Brüdern, beide im Kfz-Gewerbe tätig, 27 und 28 Jahre alt, kurdischer Herkunft, in Filderstadt und Esslingen wohnhaft. Sie wurden wenige Tage später festgenommen. Der Ältere landete in Untersuchungshaft, der Jüngere blieb gegen Auflagen auf freiem Fuß. Laut Staatsanwaltschaft waren die Tatverdächtigen und das Opfer Tage zuvor in einer Autowerkstatt mit Karosseriereparatur und Lackiererei in einen Streit geraten – wohl mit der Folge der blutigen Strafaktion. Um was es dabei gegangen sein soll, darüber wollen die Angeklagten beim nächsten Prozesstag in gut drei Wochen Angaben machen.
Immerhin scheinen sich auch andere Vorfälle in Filderstadt nach und nach zu klären. Die Auseinandersetzung mit der Axt in Bonlanden im Mai 2024 zum Beispiel. Polizeisprecherin Andrea Kopp erklärte am Freitag auf Nachfrage, es seien drei Verdächtige aus dem Kreis Rottweil identifiziert worden.