Haben Mitarbeiter von Heckler & Koch bei Waffengeschäften mit Mexiko gezielt das deutsche Gesetz umgangen? Dies soll der Prozess in Stuttgart beleuchten. Der erste Zeuge bekräftigt die Anschuldigungen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die Aushebelung des Außenwirtschafts- und Kriegswaffenkontrollgesetzes durch den Oberndorfer Waffenhersteller Heckler & Koch hatte System – dessen ist sich der 44-Jährige sicher. Der Beamte vom Zollkriminalamt in Köln ist am vierten Verhandlungstag der erste Zeuge im Prozess vor dem Landgericht Stuttgart gegen fünf vormals leitende Mitarbeiter der Rüstungsfirma. Ihnen wird vorgeworfen, für 15 Lieferungen von fast 4500 G36-Sturmgewehren, Maschinenpistolen, Munition und Zubehör im Wert von 4,1 Millionen Euro nach Mexiko mitverantwortlich zu sein – wissend, dass sie dabei gegen deutsche Gesetze verstießen, weil die Waffen in Unruheregionen gelangten, für die es keine Exportgenehmigungen gab.

 

Der Zollbeamte hatte am 21. Dezember 2010 an einer Razzia bei Heckler & Koch teilgenommen und dabei Aktenordner, PC’s und Notebooks beschlagnahmt. Mit Unterbrechung war er bis August 2012 an den Ermittlungen beteiligt. Der 44-Jährige schildert, dass die Oberndorfer von 2005 an in Mexiko Fuß fassen und dem US-Konkurrenten Colt „Marktanteile abluchsen“ wollten. Als Beleg für den „Erfolgsdruck“ erwähnt er eine E-Mail zu einem Großauftrag im Wert von zwei Millionen US-Dollar, in der ein damaliger Vertriebsleiter eine „Katastrophe“ fürchtete, sollte der Auftrag wegen eines Exportverbots verloren gehen.

Vorwurf: Der endgültige Verbleib der Waffen war unwichtig

Im Zentrum seiner Ausführungen stehen die Endverbleibserklärungen. Damit musste die mexikanische Beschaffungsstelle versichern, Waffen nicht unkontrolliert weiterzugeben – speziell nicht in die Bundesstaaten Chiapas, Chihuahua, Guerrero und Jalisco, wo gegen Menschenrechte verstoßen wurde, weshalb die Ausfuhr von Kriegsgerät dorthin untersagt war.

An der Stelle wurde offenbar in vielfacher Hinsicht getrickst. „Heckler & Koch war es möglich, auf die Erstellung der mexikanischen Endverbleibserklärungen Einfluss zu nehmen“, sagt der Zollbeamte. Diese seien so ausgestaltet worden, dass man eine Exportgenehmigung erhielt. Man habe sich von den Mexikanern auch (unumstrittene) Bundesstaaten wünschen können – der tatsächliche Bestimmungsort der Waffen habe keine Rolle gespielt.

Viele Mails könnten als Beweismaterial dienen

Akribisch klopft Frank Maurer, Vorsitzender Richter der Wirtschaftsstrafkammer, die Schilderungen des Zollbeamten nach Beweiselementen ab. Eine Mail nach der anderen lässt er einblenden, um eine Mitschuld der Angeklagten zu überprüfen.

Das Verfahren gegen den einstigen Kontaktmann zwischen Heckler & Koch und der Beschaffungsstelle sowie diversen Polizeieinheiten war zu Beginn abgetrennt worden. Der Verkaufsrepräsentant war quasi die Spinne im Netz – er besitzt aber die mexikanische Staatsangehörigkeit und lebt in Mexiko-Stadt, weshalb er dem Prozess fern bleibt. So bleiben nur noch fünf Beschuldigte von 54 bis 77 Jahren.

An den ersten drei Verhandlungstagen hatten zwei Ex-Geschäftsführer und Ausfuhrverantwortliche – unter ihnen ein früherer Rottweiler Landgerichts-Präsident – ihren Einfluss auf den Verbleib der Waffen kleingeredet und dabei den damaligen Verkaufsdirektor belastet, der schon 2015 verstorben ist. In der Tat riet dieser dem Verkaufsrepräsentanten am 9. Januar 2007 in einer Mail für die Endverbleibserklärung, „Jalisco und Chiapas nicht als Endabnehmer zu erwähnen, da sie auf der schwarzen Liste stehen“. In einer anderen Mail wünschte er sich „Druck auf das Auswärtige Amt“. So stellt sich auch auf die Frage, ob die deutschen Behörden damals von der Trickserei gar nichts mitbekommen haben.

Kommenden Donnerstag soll ein weiterer Zollkriminalbeamter als Zeuge vernommen werden. Bis Ende Oktober sind noch etwa 20 Termine angesetzt.