Der Waffenkonzern Heckler & Koch soll unerlaubt 9652 G 36-Gewehre in mexikanische Unruheprovinzen geliefert haben. Schuld soll nicht die Geschäftsleitung, sondern zwei Vertriebsangestellte sein. Doch die wehren sich gegen ihre Kündigungen.

Seit dreieinhalb Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen Heckler & Kock (HK), weil das Oberndorfer Unternehmen seit 2006 angeblich G 36-Gewehre und andere Waffen in mexikanische Unruheprovinzen geliefert hatte. Der Rüstungsgegner Jürgen Grässlin aus Freiburg hatte umfangreiches Material dazu recherchiert und Anzeige erstattet.

 

Nachdem die Firma die Vorwürfe jahrelang vehement bestritten hatte, hat sie nach einer Großrazzia im Unternehmen und in sechs Privatwohnungen im Herbst 2011 die Unternehmensberatungsgesellschaft KPMG damit beauftragt, die internen Vorgänge im Zusammenhang mit dem Mexikogeschäft zu untersuchen.

Der streng vertrauliche Untersuchungsbericht lag im Frühjahr vor. Er leitete eine interne Sonderuntersuchung ein. Die Geschäftsführer Niels Ihloff und Martin Lemperle gaben am Schwarzen Brett bekannt, dass die Geschäftsführung zur Überzeugung gelangt sei, es bestehe „der dringende Tatverdacht gegen zwei langjährige Mitarbeiter, Waffenlieferungen in nicht genehmigungsfähige mexikanische Bundesstaaten im Zusammenwirken mit einem Handelsvertreter veranlasst zu haben.“

Was wusste die Geschäftsleitung von Heckler&Koch?

Die beiden Mitarbeiter, ein Vertriebsbeauftragter und eine kaufmännische Angestellte, wurden fristlos gekündigt. Dagegen klagten sie nun vor dem Arbeitsgericht Villingen-Schwenningen. Unter der Leitung von Richter Matthias Mohn versuchte die Kammer herauszufinden, welche Verantwortung die beiden Angestellten tatsächlich für die Mexiko-Geschäfte hatten und ob die Geschäftsleitung von diesen Geschäften ebenfalls gewusst haben konnte.

Die Anwälte der Firma, der Kläger und der Richter bezogen sich in ihrer Argumentation immer wieder auf interne Papiere. Dabei ging es um die Kommunikation zwischen dem damaligen Verantwortlichen für Exportgenehmigungen, Peter Beyerle, und dem Vertriebsmann. Beyerle war bis zu seiner Pensionierung in Rottweil Landgerichtspräsident und danach für den Waffenkonzern tätig.

Mit dem Vertriebsmann tauschte er Informationen darüber aus, für welche der mexikanischen Provinzen die Firma von der Bundesregierung wohl eine Genehmigung zum Export von letztlich 9652 G 36-Gewehren zum Stückpreis von etwa 2500 Euro erhalten würde.

Die Firma muss gegenüber dem Bundeswirtschaftsministerium mit einer so genannten Endverbleibserklärung des Kunden – in diesem Fall des mexikanischen Verteidigungsministeriums – belegen, wohin die Waffen letztlich geliefert wurden. 2006 tauchte in einer solchen Erklärung der Namen der Unruheprovinz Chiappas auf. Später erhielt Berlin eine neue Endverbleibserklärung für dieselbe Stückzahl an Gewehren mit dem Namen eines anderen Bundesstaates.

276 Gewehre in die Unruheprovinz Guerrero

In einer Mail von 2008 ging es um 276 G-36-Gewehre mit Zielort Chilpancogo, die Hauptstadt der Unruheprovinz Guerrero. Der zuständige HK-Manager erklärte gegenüber der KPMG, er habe nicht gewusst, dass Chilpancogo die Hauptstadt von Guerrero sei.

Beyerle hatte der KPMG gesagt, es habe keine Liste des Auswärtigen Amtes oder des Bundeswirtschaftsministeriums mit den Bundesstaaten gegeben, in die nicht geliefert werden durfte. Er habe das „auf Zuruf“ erfahren. Die neuen Endverbleibserklärungen mit den unverdächtigen Staaten sei anscheinend ein mit den deutschen Behörden abgestimmtes Verfahren gewesen, mutmaßte Richter Mohn. Ein von KPMG befragter Ministerialrat erklärte, im Wirtschaftsministerium seien diese „Probleme“ bekannt gewesen.

Während die Anwälte der beiden entlassenen Mitarbeiter es als erwiesen ansehen, dass die Firmenleitung sehr wohl von den Veränderungen bei den Endverbleibserklärungen wusste, will der Anwalt von Heckler & Koch, Volker Teigelkötter, nur bei Beyerle und einem früheren Vertriebsleiter „Auffälligkeiten“ zugestehen. Er sei „absolut sicher“ dass die Staatsanwaltschaft gegen die beiden Geschassten und Beyerle Anklage erheben werde, sagte er. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Stuttgart erklärte jedoch, ein Abschluss des schon dreieinhalb Jahre dauernden Ermittlungsverfahrens sei „nicht abzusehen“. Nach gut zwei Stunden Verhandlung regte Richter Mohn eine außergerichtliche Einigung an. Er gab beiden Parteien bis zum 15. Januar Gelegenheit zu einem Vergleich.