Ein Biologe des Landeskriminalamts ordnet Spuren vom Tatort den Angeklagten zu. Die Verteidigung wehrt sich gegen die Indizien.

Ludwigsburg - Etwa 585 Milliarden zu eins: so hoch ist laut einem Spezialisten vom Landeskriminalamt die Wahrscheinlichkeit, dass eine am Tatort gefundene DNA-Spur von dem im Goldraub-Prozess angeklagten 23-Jährigen stammt - oder seinem nicht angeklagten Bruder. Sie haben als eineiige Zwillinge identische Erbinformationen. Das erläuterte am Donnerstag vor dem Stuttgarter Landgericht der Biologe, der unter anderem die Spuren von den Pullovern der überfallenen Transporterfahrer untersucht hatte sowie die Handschellen, mit denen diese von den Räubern gefesselt worden waren.

Die Täter hatten Ende 2009 als Steuerfahnder getarnt einen mit Schmuck und Zahngold beladenen Sprinter bei Ludwigsburg von der A81 gelotst und um die gesamte Ladung im Wert von mehr als 1,7 Millionen Euro erleichtert. Die Beute wurde bisher nicht entdeckt. Im Gerichtssaal traten die fünf Männer, die allesamt in Untersuchungshaft sitzen und weder geständig sind noch zur Sache aussagen, alles andere als geknickt, sondern bisweilen gut gelaunt zwinkernd auf. Setzten ihre Verteidiger doch alles daran, das Gutachten des DNA-Experten en detail zu hinterfragen.

So witterten die Anwälte eines 29-jährigen Rappers "nicht eine Wattestäbchenaffäre"-aber wohl Ähnliches. So sei eines der Handschellenpaare in einer unbeschrifteten Plastiktüte transportiert worden, das andere möglicherweise in einem gebrauchten Säckchen, weil es fälschlicherweise mit einem älteren Datum versehen war. Theoretisch könnten Hautpartikel von Unbekannten auf die Gegenstände geraten sein, gab der Experte zu: "Am Ergebnis für die Tatverdächtigen ändert das aber nichts."

Verteidiger fordern anderen Staatsanwalt


Analysiert wurden Handschellen, Kleidungsstücke und Zigarettenkippen, welche die Polizei am Fundort des Transporters sichergestellt hatte. Dazu kamen Schutzwesten im Camouflage-Look, die in der Wohnung eines der Männer gefunden wurden. Tatsächlich konnte der DNA-Experte die Spuren den mutmaßlichen Räubern zuordnen - wenn auch nicht allen mit gleich hoher Wahrscheinlichkeit. So erklärte er bei einer "relativ schwachen Mischspur", dass sie in einer Stadt von der Größe Stuttgarts auf 200 Personen passen würde. Bei den Schutzwesten ergab die Analyse dagegen teilweise eine Trefferwahrscheinlichkeit von 1,3 Trillionen zu eins.

Als Beweismittel wollten die Verteidiger diese Indizien jedoch nicht gelten lassen. Falsche Schlüsse vermutete ein Anwalt auch deshalb, weil einige Angeklagte kurdischer Abstammung seien, die Wahrscheinlichkeiten aber auf einem repräsentativen Querschnitt der deutschen Bevölkerung basieren. "Der schließt aber alle hier lebenden ethnischen Gruppen mit ein", erläuterte der Gutachter, der von den Verteidigern mit Fragen bombardiert wurde. Nicht einmal nach Stunden wollte ein Anwalt der Entlassung des Zeugen gleich zustimmen und forderte stattdessen Farbkopien von dessen gesamtem Arbeitsordner.

Für unnötig hielt dies der Staatsanwalt, der am Donnerstag selbst ins Visier genommen worden ist. Die Anwälte des Rappers forderten mit Rückendeckung der restlichen Verteidiger, der Anklagevertreter solle ausgetauscht werden. Er habe zuletzt öffentlich behauptet, "dass mein Kollege unserem Mandanten ein Handy ins Gefängnis schmuggeln wollte", kritisierte ein Anwalt-und konterte mit einer Unterstellung: "Vielleicht aus Frust, weil die Beweisaufnahme nicht so geklappt hat, wie sich das die Ermittlungsbehörde wünschte."