Ein 68-Jähriger steht seit Montag vor dem Stuttgarter Landgericht, weil er im vergangenen August eine Sozialunterkunft angesteckt haben soll. Bei dem Feuer starben vier Menschen. Es ist nicht das erste Mal, dass der Senior auf der Anklagebank sitzt.

Markgröningen - Der Mann, der ein vierfacher Mörder sein soll, betritt mit hängenden Schultern den Saal 1 des Stuttgarter Landgerichts. Tränen rollen in seinen grauen Bart, der Mann schaut zu Boden, als die Staatsanwältin die Anklage verliest.

 

Die Ermittler werfen dem 68-jährigen Rentner vor, im vergangenen August in einer Sozialunterkunft mitten in der Markgröninger Altstadt mit einem Feuerzeug eine Decke angezündet und sich danach schlafen gelegt zu haben.

Kurze Zeit später, so hat es die Staatsanwaltschaft rekonstruiert, brannte es dann im ganzen Haus. Dichter Rauch füllte die Zimmer, in denen neben dem Angeklagten neun weitere Bewohner schliefen. Vier von ihnen, drei Männer und eine Frau im Alter zwischen 45 und 60 Jahren, kommen bei der Katastrophe ums Leben. Zwei der Opfer sterben bereits kurz nach dem Ausbruch des Feuers, zwei in den Tagen nach dem Brand im Krankenhaus. Sie hatten von den Notärzten an der Unglücksstelle zunächst wiederbelebt werden müssen. Die Staatsanwaltschaft sieht als Todesursache bei allen vier Opfern eine Rauchgasvergiftung und wirft dem gelernten Krankenpfleger deshalb vierfachen Mord, versuchten Mord in fünf Fällen und Brandstiftung mit Todesfolge vor. An dem Haus soll durch das Feuer ein Schaden von rund 100 000 Euro entstanden sein, es ist derzeit unbewohnbar und muss aufwendig saniert werden.

„Es tut mir unendlich leid“

Zu den Geschehnissen in jener Nacht will sich der Angeklagte zum Prozessauftakt am Montag nicht selbst äußern. Sein Verteidiger Bernhard Krinn verliest stattdessen eine Erklärung. In der räumt der Senior die Vorwürfe der Ermittler ein. Er habe die Decke angezündet und übernehme die volle Verantwortung für das, was damals geschehen sei. Er habe sich um die anderen Bewohner der Unterkunft „keine Gedanken gemacht“. Den Brand gelegt zu haben, bereue er zutiefst. „Es tut mir unendlich leid“, teilt der Angeklagte über seinen Verteidiger mit. Seine seelische Verfassung sei im vergangenen Sommer sehr schlecht gewesen.

Erst wenige Wochen vor dem Brand war der Mann demnach in die Sozialunterkunft gezogen, nachdem seine Lebensgefährtin ihn aus der gemeinsamen Wohnung geworfen hatte. Nicht, weil sie keine Beziehung mehr mit ihm hatte führen wollte, das stellte die 57-Jährige am Montag klar – sondern weil die Hausverwaltung gedroht hatte, sie aus der Wohnung zu werfen, wenn der Angeklagte weiter bei ihr lebe. Zu viele Ruhestörungen und nächtliche Polizeieinsätze habe der Vermieter als Grund für die Drohung damals genannt, berichtete die Frau, die sich inzwischen in der Untersuchungshaft mit dem Angeklagten verlobt hat. Trotz des Auszugs habe man sich in den Wochen vor dem Brand regelmäßig getroffen, der Angeklagte habe sich in der Sozialunterkunft sehr unwohl gefühlt – zum Beispiel, weil die anderen Bewohner schon morgens getrunken hätten. Deshalb seien sie auf der Suche nach einer gemeinsamen Wohnung gewesen. In der Unzufriedenheit des Angeklagten mit seiner Lebenslage sieht die Staatsanwaltschaft ein mögliches Motiv für die Brandstiftung.

1984 wurde er zu fünf Jahren Haft verurteilt

Der Mann selbst schilderte am Montag, wie er als Kind mit der Familie aus der DDR in den Westen flüchtete, wie er seine Ausbildung als Krankenpfleger begann und Anfang der 1980er Jahre von Ludwigshafen nach Markgröningen im Kreis Ludwigsburg zog. Immer wieder wechselte er in den folgenden Jahren die Arbeitgeber, zwischenzeitlich sei er auch länger arbeitslos gewesen, berichtete der Senior. Ein Grund für die häufigen Jobwechsel waren offenbar die vielen Vorstrafen des Mannes. Denn der 68-Jährige muss sich nicht zum ersten Mal wegen Brandstiftung vor Gericht verantworten. Bereits 1984 verurteilte ihn das Stuttgarter Landgericht zu fünf Jahren Haft und anschließender Therapie in einer psychiatrischen Klinik. Damals sprachen ihn die Richter schuldig, in der Küche der Berufsgenossenschaftlichen Klinik in Ludwigsburg Feuer gelegt zu haben, wobei ein Schaden von 65 000 Mark entstand war. Man gehe von einer „schweren neurotischen Fehlentwicklung aus“, urteilten die Richter damals.

Aufgrund dieser Vorstrafen muss das Gericht nun klären, ob für den 68-Jährigen bei einer erneuten Verurteilung eine Sicherheitsverwahrung angeordnet wird, der Mann also nach Ablauf seiner Haftstrafe erneut in die Psychiatrie kommt. Auch eine besondere Schwere der Schuld müsse geprüft werden, erklärte der Vorsitzende Richter Uwe Tetzlaff. In diesem Fall könnte der Rentner nicht nach 15 Haftjahren freikommen. Ein Urteil soll am 25. April fallen.