Im Prozess um die Parkplatzmorde trifft die Aussage der Ehefrau den Angeklagten schwer. Er weint und bittet sie um Verzeihung.  

Stuttgart - Engelchen. Das ist das erste Wort, das dem mutmaßlichen Doppelmörder seit Prozessbeginn über die Lippen kommt. Es gilt seiner Frau. Am Montag wurde die 64-Jährige von der Schwurgerichtskammer des Landgerichts zu ihrer Ehe mit Detlef S., zu ihrer 25 Jahre dauernden Beziehung vernommen. An den meisten Tagen waren sie 24 Stunden zusammen. Und doch wiederholt Renate H. im Laufe ihrer Aussage: "Ich kenne meinen Mann überhaupt nicht." Oft tupft sie sich mit einem Taschentuch die Tränen unter dem Brillenrand weg.

 

Auch ihr Mann weint während fast der ganzen mehrstündigen Vernehmung. Es ist die erste Regung, die der Angeklagte in dem seit sieben Wochen dauernden Verfahren zeigt. Mit runden Schultern hat er sich abgewendet. Er schaut auf seinen Schoß, wagt nur verschämte Seitenblicke zum Zeugenstuhl. Sein Verteidiger Peter Mende muss ihm die Nase putzen, weil seine Hände zu seiner Sicherheit und der aller im Saal in Spezialhandschuhen stecken, gefesselt an einen Bauchgurt. Auch beide Füße sind aneinandergekettet. Justizbeamte sitzen neben Detlef S. und unter den Zuschauern. Alles signalisiert: dieser in sich zusammengesunkene Mann mit dem sauber rasierten grauen Kinnbart, er gilt als gemeingefährlich.

Ehefrau hat keine Idee für ein Motiv

Im Sommer 2010 soll er zwei Männer an Treffpunkten für Homosexuelle in den Kopf geschossen haben. Ein Dritter kam knapp davon. Was könnte den 56 Jahre alten Beamten zu den Taten an einer Landstraße bei Böblingen, in Freiburg und an der A 5 bei Frankfurt verleitet haben? "Er scheint es ja gewesen zu sein. Aber ich habe absolut keine Idee für ein Motiv", sagt seine Frau. "Damit werde ich auch nicht fertig. Ich hätte meine Hand für ihn ins Feuer gelegt."

Zwischen den Taten war das Ehepaar auf Kreuzfahrt im Mittelmeer. "Wir sind händchenhaltend herumgeschlendert", erinnert sich Renate H. Sie beschreibt ihren Mann als stillen Menschen, der sich stundenlang mit Waffen, Autos und Uhren beschäftigte. Als depressiv, weil er unter den Nebenwirkungen der HIV-Medikamente litt. "Aber zu mir war er immer lieb. Charmant. Vielleicht klingt das seltsam", sagt sie und sucht nach den rechten Worten für die liebenswerte Seite eines Menschen, dem so Schlimmes vorgeworfen wird: "Ich war seine Göttin."

Seine erste Frau hatte Detlef S. für Renate H. verlassen. Freunde hatte das Paar nicht. "Wir haben uns genügt." Sie teilten offenbar viel Zeit, doch nicht viel Intimes: Über die erste Ehe von Detlef S. weiß Renate H. fast nichts. Sie kennt nicht die Anzahl seiner Halbgeschwister, wusste bis Montag nicht, dass er 1978 für sechs Monate in einer psychiatrischen Klinik war. Drängte sie zu sehr, drohte er zu gehen. "Mein größter Fehler war, dass ich nicht mit Nachdruck nachgefragt habe", sagt sie heute.

"Für alle bin ich nur die Frau eines Mörders"

Zwar will sie Anzeichen für homosexuelle Kontakte ihres Mannes ausgemacht haben. "Er war sehr eitel, rasierte sich immer am ganzen Körper, war ständig im Solarium." In seinen Sachen fand sie 29 Penisringe. Als das Gericht ihr erzählt, der Betreiber eines Schwulen-Porno-Kinos habe in ihrem Mann einen Stammgast erkannt, reagiert sie nicht überrascht. "Aber wenn ich ihn darauf angesprochen habe, stritt er jeden schwulen Kontakt ab", sagt sie.

Seit seiner Inhaftierung schrieben sie sich fast täglich Briefe. Sie stand zu ihm, obwohl er das Haus ihrer Eltern versilbert und all ihr Erspartes durchgebracht hat. Erst als sie nach Prozessbeginn über die Medien von seiner langjährigen Affäre zu einer Arbeitskollegin erfuhr, brach sie mit ihm. Heute steht Renate H. allein da: "Für alle bin ich nur die Frau eines Mörders."

Die Sitzung muss kurz unterbrochen werden, so heftig nimmt ihr Auftritt Detlef S. mit. Als er wieder in den Saal geführt wird, spricht er sie direkt an. Seine Worte gehen im Weinen unter, aber er scheint sagen zu wollen: "Es tut mir leid."